Erfahrungsbericht von Lena Wienand zur Exkursion im Studium Raumplanung
"Im Rahmen meines Bachelorstudiums der Raumplanung an der TU Dortmund hatte ich diesen März die Möglichkeit, zwei Wochen in Namibia zu forschen. Das F-Projekt “F02: My Way or the Highway?” beschäftigt sich mit der Mobilität von Menschen in informellen Siedlungen in drei verschiedenen Städten in Namibia.
Informelle Siedlungen entstehen durch provisorische Hütten auf ungenutztem Gelände der Stadt. Diese werden aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten erstmal geduldet und vergrößern sich deshalb immer weiter. Da es sich um keine offizielle Siedlungsstruktur handelt, fehlt fast allen Hütten grundlegende Infrastruktur wie Wasser und Strom, aber auch Supermärkte und Ärzte in der Nähe.
Die Bewohner dort haben nicht genug finanzielle Mittel für ein eigenes Auto und sind daher gezwungen, in der Hitze weite Strecken zu laufen. Die Siedlungen liegen oft am Stadtrand, weshalb die Menschen viele Kilometer zu ihren Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten gehen müssen. Das Projekt beschäftigt sich mit der Hauptstadt Windhoek und den beiden Städten Rehoboth und Helao Nafidi. Das Projekt ist entstanden durch die Zusammenarbeit mit der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit in Namibia (GIZ), die sich mit der Aufwertung von informellen Siedlungen beschäftigt.
Im vorherigen Wintersemester haben wir uns intensiv mit den Gegebenheiten vor Ort beschäftigt und versucht so viel wie möglich über die Fortbewegungsmittel der Bewohner von informellen Siedlungen herauszufinden. Dabei haben wir Forschungsfragen und -methoden entwickelt. Das Projekt stellt sich die Frage: "Wie sind die aktuellen Bedingungen für urbane Mobilität in Namibia und welche Möglichkeiten können noch genutzt werden?".
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Forschung in allen drei Städten auf die Fragen der Qualität, Sicherheit und Zugänglichkeit aktiver Mobilität konzentriert, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Ziel des Projektes ist es, Vorschläge zu erarbeiten, um eine sichere Infrastruktur zu schaffen die für alle zugänglich ist und in der mehrere Verkehrsmodi miteinander kombiniert werden.
Am 01. März bin ich mit der Projektgruppe in Windhoek gelandet. Für mich waren die endlosen Weiten von unberührter Natur eine neue Erfahrung, vor allem da ich aus dem Ruhrgebiet komme. Ein weiterer Aspekt, an den man sich erst gewöhnen muss, ist die heimische Tierwelt. Die Insekten in Namibia sind um einiges größer als in Deutschland und besuchen einen auch gerne im Hotelzimmer. Besonders wichtig war es, sich im Norden gegen Mücken zu schützen, weil diese dort Malaria übertragen können. Was einem dann doch wieder bekannt vorkommt, sind viele alte deutsche Schilder, Gebäude und Produkte, sowie der viel verbreitete Spar-Supermarkt.
Am nächsten Tag ging es auch schon auf eine zehnstündige Busfahrt in den Norden Namibias, in die Stadt Helao Nafidi an der Grenze zu Angola. Dort haben wir das erste Mal eine informelle Siedlung mit dem Namen „Ombili“ (bedeutet Frieden in der Sprache der Ovambo) betreten. Die Menschen dort leben sehr eng beieinander in selbstgebauten Wellblech-Hütten. Es war bemerkenswert, wie sauber es dort war, obwohl fast niemand Zugang zu Strom oder fließendem Wasser hat.
Die Bewohner haben uns durch die Siedlung geführt und uns von ihrem Alltag erzählt. Durch diese zwanglosen Gespräche hatten wir bereits die Möglichkeit ein paar Fragen zur Mobilität der Menschen zu stellen. Anschließend fand eine Fokusgruppen-Diskussion unter dem Gemeinschaftsbaum statt. Dabei konnten wir spezifische Fragen zu Problemen im alltäglichen Mobilitätsverhalten stellen. Für die meisten Menschen ist die Nacht ein Problem, da die fehlende Straßenbeleuchtung das Laufen unsicher macht. Außerdem kommt es in diesem Gebiet zu saisonaler Überschwemmung, was die Hütten teilweise unbewohnbar macht und die Mobilität erheblich einschränkt.
Für viele Menschen im Norden Namibias waren wir eine wirkliche Sensation. Sie waren sehr hilfsbereit, freundlich und begeistert und wollten viele Fotos machen. Im Gespräch bei der Besichtigung der Siedlung gab es kaum Sprachbarrieren, da man sich gut auf Englisch mit den Namibianern unterhalten kann. Da es in der Diskussion um genaue Fragestellungen ging, hat der Stadtplaner von Helao Nafidi netterweise für uns übersetzt.
Außerdem sind wir während unseres Aufenthaltes in Helao Nafidi zur angolanischen Grenze gefahren, um den Grenzverkehr zu beobachten und haben dabei viele Löcher im Zaun sowie Benzin-Schmuggler gesehen. Am letzten Tag haben wir eine Einladung vom Bürgermeister der Stadt erhalten, der uns in den Town Council eingeladen hat, um von unserer Forschung zu erfahren.
Auf unserem Rückweg nach Windhoek haben wir einen Stopp bei der University of Namibia gemacht und eine Führung durch die Labore und das Gelände bekommen. Auf dem weiteren Weg sind wir an vielen Wildtieren vorbeigefahren, unter anderem an diesem Affen am Straßenrand.
Nach unserer Rückkehr in Windhoek wurde in den beiden anderen Städten zur selben Zeit geforscht. Beide Male haben wir wieder eine Führung durch die Siedlung bekommen und eine Diskussion mit den Einheimischen organisiert, um mehr über ihre alltäglichen Probleme bei der Fortbewegung zu erfahren. Dabei haben sich viele interessante Gespräche und Einblicke ergeben.
Die Gruppe in Windhoek hat sich mit der informellen Siedlung Havanna beschäftigt und diese mit dem wohlhabenden Stadtteil Klein-Windhoek verglichen. Sie haben ebenfalls Experteninterviews mit dem Vorsitzenden des Forums für Verkehrssicherheit und mit dem Verkehrsplaner der Stadt Windhoek durchgeführt. Ein weiterer Gesprächspartner in jeder Stadt ist die Shack Dwellers Federation. Diese Organisation ermöglicht den Menschen in den informellen Siedlungen durch einen günstigen Kredit, eigene Steinhäuser zu bauen. In Havannah hatten unsere Studierenden die Chance, traditionelle gebratene Insekten zu probieren. Leider konnte sich niemand dazu überwinden.
Zuletzt haben wir unsere Forschungsfragen und vorläufigen Ergebnisse an der Namibia University of Science and Technology in Windhoek präsentiert. Dabei haben wir Feedback von namibischen Studenten bekommen, was uns eine andere Perspektive gezeigt hat. Das war eine sehr hilfreiche Erfahrung, da sie den Kontext unserer Forschung als Einheimische besser verstehen und habend dadurch zur Reflexion angeregt. Am Ende des Projektes im Sommer 2023 werden wir unsere Ergebnisse an die GIZ weiterleiten und diese werden dann mit etwas Glück bei der Aufwertung der informellen Siedlung umgesetzt.
Durch die Exkursion habe ich einen einzigartigen Einblick in das Land erhalten und mal über den Tellerrand hinausgeschaut. Es war eine bereichernde Erfahrung, die Lebensweisen der Menschen hautnah zu erleben. Durch die vielen Gespräche mit den Einheimischen habe ich eine andere Perspektive auf Mobilität im globalen Süden bekommen und kann diese nun besser nachvollziehen. Viele aus dem Projekt haben nach der Exkursion die Möglichkeit genutzt, um dieses facettenreiche Land zu bereisen. Dabei ist mir noch mal im Besonderen aufgefallen, dass die durchschnittlichen Touristen nur wenig von der Lebensweise der Namibier sehen und habe die Exkursion mit der Uni umso mehr wertgeschätzt."