Das Alter als Kostbarkeit: 100 Jahre Museum Folkwang
Museum Folkwang feiert Jubiläum im Jahr 2022
Cézanne, Gauguin, Matisse, van Gogh, Pollock, Munch – dieser kurze wie facettenreiche Streifzug durch die Kunstgeschichte macht bereits deutlich: Das Museum Folkwang atmet globale Geschichte. Zum 100-jährigen Geburtstag holt das Museum nochmal tief Luft und begeht das Jubiläum 2022 mit Ausstellungen und Veranstaltungen ganz im Zeichen der Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Museums – und der Stadtgesellschaft.
Von Hagen zum Monument der Essener Kunst- und Kulturgeschichte
In der beeindruckenden Sammlung des Museum Folkwang finden sich viele Werke von Künstler*innen, die die Malerei sowie das Kunstverständnis generell nachhaltig beeinflusst haben. Die Programmatik des Hauses wurde seit den Anfängen von der Verbindung zwischen der Kunst und dem Leben geprägt. "Ohne die Mitwirkung der Kunst sind die wichtigsten Fragen des sozialen Lebens unlösbar": Dieses Verständnis des Museumsgründers Karl Ernst Osthaus hat dem Museum Folkwang bis heute das Renommee eines der bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands mit internationaler Ausstrahlung gesichert. "Folkwang ist eine ungeheuer starke, verbindende Marke. Kulturgeschichte hat sie geschrieben mit der Idee, Kunst zum geistigen Eigentum aller Menschen zu machen", beschreibt Ulrich Blank, Vorsitzender Folkwang-Museumsverein e.V., die Haltung des Museums. Ergänzt um die einzigartige Komposition aus Architektur, Atmosphäre und Kunst ist das Museum Folkwang zum "kulturellen Herz von Essen" gewachsen, so Oberbürgermeister Thomas Kufen: "Hier treffen Tradition und Moderne sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Kunst und Gesellschaft aufeinander".
Die Anfänge dieses Aufstiegs zum Monument der Essener Kultur sind dabei in Hagen – und in der Person von Karl Ernst Osthaus (1874–1921) – zu finden. Hier beginnt Osthaus 1897 mit seinen Sammeltätigkeiten und eröffnet 1902 das Folkwang Museum ("Folkwang" = "Halle des Volkes") in Hagen. 1922 ist dann das entscheidende Jahr für die Beziehung zwischen dem Museum Folkwang und der Stadt Essen: Es folgen die Gründung des Folkwang-Museumsvereins sowie der Ankauf der Folkwang-Sammlungen durch den Verein und die Stadt. Am 29. Oktober eröffnet das Museum Folkwang in Essen. Von da an folgt eine bewegte Historie des Museums, wie die partielle Zerstörung mit anschließendem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Aber auch die Gründung des Deutschen Plakat Museums und der Fotografischen Sammlung und die Wiedereröffnung im Neubau von David Chipperfield im Jahr 2010 sind Meilensteine der Geschichte des Hauses.
Meilensteine der Chronik Museum Folkwang
Folkwang Museum Hagen – 1901–1921
1897: Karl Ernst Osthaus (1874–1921) beginnt seine Sammeltätigkeit.
1902: Eröffnung des Folkwang Museums in Hagen. Der Name Folkwang (Halle des Volkes) ist der altnordischen Versdichtung Edda entlehnt. Osthaus will einen "Stützpunkt künstlerischen Lebens im westlichen Industriebezirk" schaffen.
1919: Osthaus bemüht sich um staatliche Unterstützung für das Museum.
1921: Osthaus stirbt am 25. März in Meran. In seinem Testament äußert er "den dringenden Wunsch, dass das Museum ungeschmälert erhalten bleibt".
Städtisches Kunstmuseum Essen – 1901–1921
1901: Gründung des Essener Museumsvereins. Zusammenlegung verschiedener Essener Sammlungen in einem Gebäude in der Innenstadt.
1904: Übergabe der Sammlungen an die Stadt Essen; Gründung des städtischen Kunstvereins.
1909: Die kunsthistorische Abteilung wird als Städtisches Kunstmuseum selbstständig. Ernst Gosebruch übernimmt die Leitung.
1910: Überführung des Museumsvereins in den Essener Kunstverein.
1917: Schenkung des Hauses Bismarckstraße 98 als neuer Standort des Kunstmuseums durch Dr. Hans Goldschmidt.
1920: Neueröffnung des Städtischen Kunstmuseums am Standort Bismarckstraße.
1921: Osthaus’ Testamentsvollstrecker unterbreitet Ernst Gosebruch das Angebot, die Folkwang-Sammlung für Essen zu erwerben.
Museum Folkwang, Essen – seit 1922
1922: Ankauf der Folkwang-Sammlungen durch ein Konsortium von Firmen und Privatpersonen aus Essen und dem Ruhrgebiet; Gründung des Folkwang-Museumsvereins. Der Verein und die Stadt Essen schließen einen bis heute gültigen Vertrag über das gemeinsame Eigentum an der Sammlung und die Sicherung des Museumsbetriebs. Vereinigung der Sammlungen des Städtischen Kunstmuseums und des Folkwang Museum. Eröffnung des neuen Museum Folkwang am 29. Oktober.
1925/26: Planung eines Erweiterungsbaus durch den Architekten Edmund Körner; Beginn der Bauarbeiten.
1929: Abschluss der Bauarbeiten; Wiedereröffnung des Museum Folkwang.
1937: In der Aktion "Entartete Kunst" werden durch die Nationalsozialisten im Museum Folkwang insgesamt mehr als 1.400 Werke beschlagnahmt.
1944/45: Teile der Museumsgebäude werden bei Bombenangriffen auf Essen zerstört.
1947: Beschluss des Kuratoriums über den Wiederaufbau des Museums; Präsentation ausgewählter Werke in Schloss Hugenpoet (Essen-Kettwig).
1954: Planung eines Neubaus durch die Architekten Werner Kreutzberger, Erich Hösterey und Horst Loy.
1956: Beginn der Bauarbeiten.
1960: Eröffnung des Museumsneubaus.
1974: Gründung des Deutschen Plakat Museums.
1978: Übertragung der von Otto Steinert für die Folkwangschule für Gestaltung geschaffenen Studiensammlung Fotografie in das Museum Folkwang und Gründung der Fotografischen Sammlung unter Leitung von Ute Eskildsen.
1983: Eröffnung des Museumszentrums mit Museum Folkwang und Ruhrlandmuseum.
1987: Erste große Ausstellung in Kooperation mit der Ruhrgas AG zur Klassischen Moderne mit Werken von Edvard Munch.
2006: Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unter Vorsitz von Berthold Beitz beschließt die Finanzierung eines Neubaus des Museum Folkwang.
2007: In einem internationalen Architektenwettbewerb wird David Chipperfield der erste Preis zuerkannt; Beginn der Bauarbeiten.
2008: Das Deutsche Plakat Museum wird in das Museum Folkwang integriert.
2010: Einweihung des Neubaus am 28. Januar; Präsentation der Ausstellung "Das schönste Museum der Welt. Museum Folkwang bis 1933".
2020: Die Stadt Essen und die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung kommen überein, den freien Eintritt in die Sammlung auf Dauer zu erhalten.
2020: Die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritikerverbands AICA zeichnet das Museum Folkwang als "Museum des Jahres" (2019) aus.
2022: Das Museum Folkwang feiert sein 100-jähriges Bestehen am Standort Essen.
"100 Jahre Gegenwart" – in und mit der Stadt Essen
Für das Jubiläumsjahr steht nun unter dem Motto "100 Jahre Gegenwart" eine Ausstellungsagenda an, die sich der Ursprungsidee der Gründung annimmt und zugleich den Blick nach vorne wirft. Die Stadt Essen ist hierbei Ausgangspunkt und Anker zugleich: "Wir freuen uns auf ein Jubiläumsjahr, in dem wir den Blick nicht nur auf die hundertjährige Geschichte in Essen richten, sondern einen Bogen spannen: von den Ideen unseres Museumgründers Karl Ernst Osthaus in die Gegenwart, vom Museum in die Stadt, von Essen in die Welt", beschreibt Peter Gorschlüter, Direktor Museum Folkwang, das bevorstehende Programm. Gefeiert wird mit Ausstellungen und Veranstaltungen, die die zentralen Sammlungsschwerpunkte wie Impressionismus, Expressionismus, Fotografie und Plakat, sowie die Stadtgesellschaft in den Mittelpunkt stellen.
2022: Renoir als Erinnerung an die Anfänge
1901 war das Gemälde "Lise mit dem Sonnenschirm" von Auguste Renoir das erste von Osthaus erworbene Werk der französischen Moderne. Den Auftakt zum Jubiläumsjahr bildet das Ausstellungshighlight "Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt. Die Sammlungen von Kojiro Matsukata und Karl Ernst Osthaus" –Renoirs "Lise mit dem Sonnenschirm" ist ein zentrales Werk.
Mit der Ausstellung "Folkwang und die Stadt" geht das Museum Folkwang aus den eigenen (Museums-)Wänden hinaus. Es wird die Frage gestellt, wie es heute – knapp 100 Jahre nach der Gründung des Museum Folkwang in Essen – mit der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe an der Kunst aussieht: Kommen die Menschen ins Museum, um Antworten zu finden, oder muss das Museum auf die Menschen zugehen und ihnen dort, wo sich die Fragen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld stellen, begegnen? Die Ausstellung im Essener Stadtraum rund um den Berliner Platz präsentiert – begleitet von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm – ortsspezifische Kunstprojekte internationaler Künstler*innen, die einen neuen Blick auf Kunst und Gesellschaft ermöglichen und das Museum zur Stadt hin öffnen.
Das Programm 2022
RENOIR, MONET, GAUGUIN. Bilder einer fließenden Welt
Die Sammlungen von Kojiro Matsukata und Karl Ernst Osthaus
6. Februar 2022 – 15. Mai 2022
CANDICE BREITZ
New Commission
15. Juni 2022 – 21. August 2022
DOKUMENTARFOTOGRAFIE FÖRDERPREISE 13 DER WÜSTENROT STIFTUNG
"In diesem Jahr feiern wir das Jubiläum, schauen auf Vergangenes zurück und richten den Blick zugleich in die Zukunft, in der wir die Erfolgsgeschichte des Museums weiterschreiben wollen", fasst Oberbürgermeister Thomas Kufen das Jubiläumsjahr zusammen. In der Vergangenheit wurden alle Voraussetzungen dafür gelegt, dass auch nach 2022 das Museum Folkwang weiter Geschichte schreiben – und atmen – kann.