"Hey, ich bin Selina Weidenheimer, Auszubildende im zweiten Lehrjahr im Haus der Essener Geschichte/ Stadtarchiv (HdEG) als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMI) - Fachrichtung Archiv. Nach einem FSJ in einem anderen kommunalen Archiv habe ich bei der Stadt Essen angefangen. Hier teile ich ein bisschen was aus meiner Ausbildung.
Zunächst einige Grundlagen: Die FaMI-Ausbildung ist eine duale Ausbildung, das heißt, dass ich zwei Tage in der Woche in der Berufsschule verbringe. Dort erlangt man berufsspezifisches Wissen für die Arbeit im Archiv und lernt andere Fachrichtungen genauer kennen. Hinzu kommt Unterricht in anderen Fächern wie Englisch oder Politik. Teil der Berufsschulausbildung sind ebenfalls die Zwischenprüfung und die Abschlussprüfung in den berufsbezogenen Fächern. Meine Zwischenprüfung wird im Februar 2025 stattfinden.
Die anderen drei Tage der Woche verbringe ich im HdEG, um dort die praktische Archivarbeit zu erlernen. Das HdEG hat drei Standbeine: das Stadtarchiv, die Fachbibliothek Stadt & Region und die historische Dauerausstellung "Essen. Geschichte einer Großstadt im 20. Jahrhundert". Oft kommen auch noch verschiedene Wechselausstellungen hinzu.
Zentrum des HdEG ist das Stadtarchiv als Gedächtnis der Stadt Essen. Hier wird nach den Vorgaben des Archivgesetzes NRW die archivwürdige schriftliche Überlieferung der Stadt Essen als einmaliges Archivgut für immer im Original aufbewahrt.
Hauptsächlich werden FaMI-Azubis im HdEG natürlich im Bereich Stadtarchiv eingesetzt. Wir verzeichnen verschiedene Bestände und Unterlagentypen, so dass es nie langweilig wird. Bei großen Bewertungsterminen, also bei der Entscheidung, welche Unterlagen wir ins Archiv übernehmen, sind wir auch öfter mal dabei. Die Neuzugänge kommen zunächst in unsere Bestandserhaltung, welche ich auch kennenlernen durfte. Dort lernt man, wie Archivalien ordentlich gereinigt und aufbewahrt werden, um sie für die Ewigkeit zu erhalten. Aufgabe eines Archivs ist es nämlich, Archivalien dauerhaft zu erhalten und aufzubewahren. Ebenfalls sollen die Archivalien und die darin enthaltenen Informationen zugänglich für die Öffentlichkeit sein.
Unter Archivalien versteht man allgemein Informationsträger in einem Archiv. Das Medium, um das es sich handelt, ist vorerst undefiniert (zum Beispiel nicht nur Akten und Bücher, auch Karten, Urkunden, Fotos, Filme, Karteien usw.). Die älteste Archivalie bei uns im Stadtarchiv Essen ist eine Urkunde aus dem Jahr 1272, welche zum ersten Mal einen Rat der Stadt Essen dokumentiert. Man könnte sagen, dass diese Urkunde die wertvollste Archivalie ist, jedoch ist ein wahrer Wert schwer festzulegen, da fast alle Archivalien Einzelstücke sind.
Teil des Stadtarchivs ist auch der Lesesaal. Im HdEG ist dieser der Schnittpunkt zwischen Archiv und Bibliothek, da sich dort auch unsere Fachbibliothek Stadt & Region befindet. Neben dem Pflichtpraktikum in einer anderen Bibliothek hat man im HdEG also die Möglichkeit die Arbeit der Fachrichtung Bibliothek im Rahmen der hauseigenen Fachbibliothek kennenzulernen. Der größte Teil der Bücher der Fachbibliothek ist im Lesesaal aufgestellt und kann dort auch ausgeliehen werden. Allerdings gibt es auch historische Bücher in der Fachbibliothek, die im Magazin aufbewahrt werden und nur im Lesesaal eingesehen werden können. Das Magazin ist der Ort, in dem wir alle unsere Archivalien aufbewahren. Dort regulieren wir die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit so, dass sie ideal für das Erhalten von Papier und Schriftgut sind. Die Öffentlichkeit sieht das Innere des Magazins nur bei Führungen durchs Haus.
Außerdem befindet sich im Magazin noch die Archivbibliothek und die Dienstbibliothek. Die Bücher dort stehen Nutzern zur Einsicht zur Verfügung, aber nicht für das Ausleihen. Es handelt sich dabei um Bücher, die auch für die archivinterne Arbeit und Recherche von Archivaren genutzt werden. Manche Archivalien sind aus Gründen der Bestandserhaltung bereits digitalisiert und können über die Archivdatenbank digital eingesehen werden.
Der Lesesaal ist also der Ort, an dem wir Archivalien für die Nutzung bereitstellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich machen. Als FaMI hat man hier oft als Aufsicht und somit als erste Anlaufstelle für die Beratung zu tun. Ich bin momentan an zwei Tagen der Woche im Lesesaal eingesetzt und fühle mich dort sehr wohl. Nutzer*innen haben viele Fragen, besonders zur Familienforschung. Die Familienforschung bzw. personenbezogene Auskünfte sind zentraler Bestandteil der Archivnutzung im Stadtarchiv. Die meisten Anfragen, ob im Lesesaal oder per Email, fallen in diesen Bereich. Als FaMI wird man auch hier eingesetzt und kann somit bei der Recherche helfen.
Darüber hinaus kommen immer wieder andere Aufgaben auf, in die man einbezogen wird. Wir haben oft Veranstaltungen, die vorbereitet werden müssen und viele helfende Hände brauchen. Zum Beispiel der seit 2021 einmal im Jahr stattfindende Tag der Archive eines Jahres. oder die Teilnahme an Aktionen wie "Türen auf mit der Maus" vom WDR. Hier hat man weitere Möglichkeiten, mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu kommen. Zuletzt habe ich bei der Vorbereitung einer Wechselausstellung anlässlich des 100. Geburtstags des bekannten Essener Stadthistorikers und Begründers der NS-Erinnerungskultur Dr. Ernst Schmidt (1924-2009) mitgeholfen. Daran zeigt sich, dass dank der Vielzahl der Einsatzbereiche und Tätigkeiten auf die Stärken und Interessen der Azubis gut eingegangen wird.
Auch wenn ich in meiner Ausbildung schon viel erlebt habe, kommt noch einiges auf mich zu. Neben den Prüfungen habe ich noch ein Pflichtpraktikum in einem anderen Archiv vor mir. Es gibt immer Bestände zu verzeichnen, immer Anfragen im Personenstand zu beantworten, und auch sonst lerne ich nie aus.
Zusammenfassend würde ich die Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste – Fachrichtung Archiv, besonders im HdEG, als abwechslungsreich und vielfältig beschreiben. Wer geschichtliches Interesse hat, gerne immer weiter Neues lernt und offen für Menschen und verschiedene Tätigkeiten ist, wird sich in diesem Beruf wohl fühlen."