Die aktuellen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben auch Auswirkungen auf die Theaterarbeit von und mit Jugendlichen im Ruhrgebiet: Neben der Einstellung von Spiel- und Probenbetrieb sind auch die Treffen von Jugendclubs, Workshop-Angebote oder bereits geplante Festivals betroffen. Um das seit 2002 alljährlich stattfindende Festival Unruh® auch in diesem Frühjahr durchführen zu können, haben die acht beteiligten Theater für ihren traditionellen Treffpunkt der Jugendtheatergruppen der Schauspielhäuser des Ruhrgebiets nun ein Alternativkonzept für diese Ausnahmesituation entwickelt: Unruh® 2020 digital! Vom 20. bis zum 23. Mai präsentieren junge Ensembles vom Schauspiel Essen, Schauspiel Dortmund/KJT Dortmund, Theater Duisburg, Schauspielhaus Bochum, Theater Oberhausen, Theater an der Ruhr Mülheim und Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel ihre Angebote auf Instagram (@festivalunruhr), auf der neu gestalteten UnruhR-Homepage sowie auf weiteren digitalen Plattformen.
"Mit der digitalen Alternativ-Version des Festivals wollen wir einerseits die lange Tradition des Zusammenkommens und des gegenseitigen Austausches fortsetzen und andererseits deutlich machen, wie man durch Flexibilität und Kreativität konstruktiv und innovativ mit den gegebenen Umständen umgehen kann", unterstreicht Aline Bosselmann, Theaterpädagogin am Schauspiel Essen. Die Jugendtheatergruppen würden auf diese Weise die Erfahrung machen, dass sie durch Umdenken und das Einschlagen neuer Wege trotz der Pandemie ihre Projekte fortführen können. "In den Stückentwicklungen bzw. -erarbeitungen steckt die Arbeit von über einem halben Jahr Proben, in denen Jugendliche ihre Gedanken und Gefühle, gruppendynamische Prozesse, persönliche Themen und Konflikte und gesellschaftsrelevante Fragen sichtbar machen wollen", ergänzt Josephine Raschke, die Produktionsleiterin des diesjährigen Festivals. Dies gelte es wertzuschätzen und den Jugendlichen das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein. "Wir wollen mit der einmaligen Digitalisierung des Festivals erreichen, dass die Ergebnisse aus den persönlichen Proben- und Schreibprozessen trotz Pandemie-Auflagen Blüten tragen und der Welt 'Hallo' sagen können", so Bosselmann.
Unterstützung für die digitale Umsetzung des Festivals bekommen die Gruppen von Josephine Raschke, Laura Zielinski, Genoveva Wieland und Carolin Pfänder, die sich aus dem Studium der Szenischen Forschung der Uni Bochum kennen. Sie koordinieren die Beiträge und erstellen rund fünf Tage vor Beginn des Festivals einen Redaktionsplan, nach dem täglich von 10 bis 20 Uhr die neuen Beiträge, Kunstprojekte, Verlinkungen auf andere Webseiten (z. B. YouTube, Homepage) und Formate der Gruppen auf Instagram veröffentlicht werden.
Einige der Programmpunkte finden in einem geschützten Rahmen nur für die teilnehmenden Gruppen statt. Bei der Auswahl ihrer Themen und Präsentationsformen haben die Gruppen selbstverständlich freie Hand. Sie können sich mit den Eigenproduktionen oder Stücken der Theaterliteratur auseinandersetzen, die sie im Rahmen des ursprünglich geplanten regulären Festivals gezeigt hätten. Dabei könnten Fragen wie "Was machen ihre Bühnenfiguren jetzt?", "Wie würden sie in den sozialen Medien auftreten?" oder "Würden sie sich begegnen?" behandelt werden. Auch das Theater selbst könnte zum Gegenstand der Betrachtung werden: Was könnte digitales Theater sein? Wohin soll sich Theater entwickeln? Was ist eigentlich alles eine Bühne und muss die immer aus Holz oder Tanzboden sein? Und da sich das Theater ja auch häufig mit aktuellen, die Gesellschaft bewegenden Umständen befasst, könnte ein weiterer thematischer Schwerpunkt die derzeitige Situation selbst sein: Welche Auswirkungen hat sie auf die Gruppe und jeden Einzelnen? Was sind Chancen dieser Zeit? Wie gehen die Spielerinnen und Spieler praktisch damit um?
"Wir wollen keine Vorgaben machen, sondern Anregungen geben", betont Josephine Raschke, "die inhaltlichen Themen können natürlich ineinander übergehen und es können auch weitere Themen einfließen." Dies gilt übrigens auch für die Präsentation: Die Gruppen entscheiden selbst, welche Formate sie wählen. So können sie ihre Ergebnisse einmalig, mehrfach oder regelmäßig an vier Tagen zur gleichen Uhrzeit zeigen, sie können es live oder vorproduziert machen und sie können zwischen Videos, Fotos, Texten, Bildergalerien, Streams oder Verlinkungen zu einer anderen Plattform wählen.
Diese Vielfalt eröffnet allen Teilnehmenden, aber auch einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit, auf die Beiträge schnell zu reagieren und damit in einen Austausch zu kommen, z. B. per Live-Chat auf YouTube, Kommentarfunktion unter Beiträgen oder Likes, wobei die Kuratorinnen vom Festival-Team die unterschiedlichen Austauschformate moderieren werden.
Traditionell gehören zum UnruhR-Festival auch Workshops für teilnehmende Jugendliche. Diese wird es auch in der digitalen Version geben: Zu den Themen Szenisches Schreiben, Schauspiel, Tanzen und Bewegung, Clowns-Workshop und Physical Theatre werden Video-Tutorials oder Live-Streamings zur Verfügung gestellt.
Das UnruhR-Festival wird gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
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