Im Jugendhilfeausschuss wurde am Dienstag, 14. März, ein Bericht zur Post-Corona-Strategie vorgestellt. Bereits am 24. März 2021 beauftragte der Rat der Stadt Essen die Verwaltung, eine Post-Corona-Strategie zu entwickeln, um unter der Federführung des Jugendamtes eine geschäfts- und fachbereichsübergreifende Arbeitsstruktur mit Gesundheitsamt, Kommunalem Integrationszentrum (KI), Fachbereich Schule, JobCenter sowie mit Vertreterinnen*Vertretern der Wohlfahrtsverbände und Akteurinnen*Akteuren der Jugendförderung zu etablieren. Das Ziel war, Entwicklungen zu analysieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Die vorhandenen Angebote zur Förderung waren mittelfristig nicht ausreichend, um Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der notwendigen Form zu unterstützen. Die Defizite aus der Corona-Pandemie waren häufig in der sprachlichen und motorischen Entwicklung von Kindern festzustellen. Trotz intensiver Bemühungen der Kommunen, die Bundesregierung von einer Weiterführung des Aktionsprogramms zu überzeugen, wurde die Förderung im Bereich der Fördersäulen I bis III zum 31. Dezember 2022 eingestellt. Bis dahin haben alle Essener Kooperationspartner*innen in den Fördersäulen I bis III Projekte für Kinder, Jugendliche und Familien in einem Gesamtfördervolumen in Höhe von 3.193.898 Euro für über 65.500 erreichte hauptsächlich junge Menschen umgesetzt. "Ein absoluter Sonderfall im interkommunalen Vergleich“, erklärte Muchtar Al Ghusain, Geschäftsbereichsvorstand Jugend, Bildung und Kultur der Stadt Essen. „Die große Anzahl an Förderungen konnte nur aufgrund des Engagements und der engen Kooperation zwischen den öffentlichen und freien Trägern erzielt werden."
Fördersäule I - Frühe Hilfen Förderung von werdenden Familien sowie Familien mit Säuglingen und Kleinkindern - 7.500 erreichte Menschen
Über die Fördersäule I ermöglichte die Bundesstiftung „Frühe Hilfen“ die Förderung von werdenden Familien sowie Familien mit Säuglingen und Kleinkindern im Alter von null bis drei Jahren. Ziel war es, unter Pandemiebedingungen einen niederschwelligen Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu erhalten. Insgesamt wurde im Förderjahr 2022 an neu geschaffenen Projekten aus 2021 angeknüpft. Ergänzend wurden, aufgrund der längeren Förderlaufzeit von zwölf Monaten, weitere Angebote umgesetzt wie Mutter-Kind-Angebote, Elterncafés, theater-, musik- und bewegungspädagogische Angebote sowie Lotsendienste ins Regelsystem. Ergänzend wurde auch die Finanzierung von Kursleiterinnen*Kursleitern, die Qualifizierung von Fachkräften und die Anschaffung von Materialien ermöglicht. 2022 wurde die Ausgabe von Gutscheinen für den Grugapark an benachteiligte Familien fortgesetzt. Im Zeitraum von Mai bis Oktober des vergangenen Jahres wurden 14 zusätzliche Spielplatzfeste des Spielmobils des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) organisiert. Die Anzahl der erreichten Personen beläuft sich nach ersten Auswertungen vom 31. Januar 2023 auf rund 5.400 Erwachsene und circa 2.100 Kinder. In Fördersäule I wurde ein Gesamtfördervolumen von 248.108,53 Euro erreicht. Die sprachliche Förderung von Kindern im Kita-Alter hat sich im Zuge der Auswirkungen der Pandemie einmal mehr als notwendig erwiesen. Insbesondere bei Kindern mit begrenzten sozialen Kontakten während der Pandemie, bei denen die Familiensprache nicht Deutsch ist, zeichnen sich weiterhin zusätzliche Förderbedarfe ab.
Fördersäule II - Aktion Zukunft (Angebote Sozialer Arbeit an Schule und Jugendsozialarbeit) - 52.000 erreichte Menschen
Dem System Schule kam in der Pandemie eine entscheidende Schlüsselrolle zu. Auch im Zuge der abnehmenden Beschränkungen war die Schule die Örtlichkeit, an der junge Menschen oftmals gemeinsam die Erfahrungen der Pandemie reflektierten und sich im Gruppenkontext neu erprobten. Angebote über die Regelstruktur Schule auszugestalten, bietet den Vorteil, oftmals eine große Anzahl an jungen Menschen regelhaft zu erreichen. Aber auch junge Menschen, ohne oder mit nur bedingter Anbindung ans Schulsystem, sollten unter anderem über Angebote der Jugendsozialarbeit erreicht werden. In Essen konnten im Bereich der Fördersäule II sehr viele Angebote realisiert werden, was auch im interkommunalen Vergleich eine Besonderheit darstellt. In der Fördersäule II wurde ein Gesamtfördervolumen von 2.095.705,83 Euro erreicht. Durch die Projekte wurden rund 52.000 junge Menschen erreicht. Bei einem kleinen Anteil der Förderungen handelt es sich um die Ausweitungen von bestehenden Angeboten. Dies trifft zum Beispiel auf die Standorterweiterung des Projektes „Open Sunday“ an vier weiteren Grundschulen in Essen zu, die über eine gemeinsame Förderung mit dem Fachbereich Schule ermöglicht werden konnte. Auch die pädagogische Ausweitung der Familientische an drei Standorten in den Stadtbezirken I, V und VII konnte über diese Fördersäule erzielt werden. Insgesamt kam es im Förderjahr 2022 zur Umsetzung von größtenteils neuen Angeboten, die im Zuge von "Aufholen nach Corona" 2021 erstmalig gefördert oder 2022 erstmals in die Umsetzung gebracht wurden. Es ist erkennbar, dass insbesondere die unterschiedlichen Formen von Sozialkompetenztrainings an Schulen einen Schwerpunkt der Förderung gebildet haben. Fast jedes zweite Angebot hatte diesen ausgewiesenen Schwerpunkt, aber auch im Bereich der musik-, theater-, kunst- und bewegungspädagogischen Angebote stand neben der Stärkung von Selbst- auch die Förderung von Sozialkompetenzen mit im Vordergrund.
Fördersäule III - Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote
Kinder und Jugendliche mussten in den vergangenen drei Jahren auf vieles verzichten, was im Kindes- oder Jugendalter unter normalen Bedingungen eine Selbstverständlichkeit bilden würde. Soziale Kontakte zu Gleichaltrigen konnten oftmals nicht so umfänglich ausgestaltet werden wie vor der Pandemie. Partizipationsprozesse zu fördern und außerschulische Angebote gemeinsam mit jungen Menschen zu gestalten, ist eine Kernaufgabe der offenen Kinder- und Jugendarbeit. So kam ihr insbesondere im Pandemiegeschehen eine besondere Rolle zu. Über die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die Jugendverbände sowie weitere Akteurinnen*Akteure der Kinder- und Jugendhilfe konnte die zusätzliche Schaffung von Angeboten ermöglicht werden. Aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten bildet sich hier die Diversität der umgesetzten Maßnahmen besonders deutlich ab. Die Angebote wurden nach ersten Auswertungen gut angenommen. Niederschwellige Angebote waren dabei besonders beliebt. Insbesondere freizeitpädagogische Angebote förderten den Aufbau positiver Gegenerfahrungen zu den einschränkenden Momenten im Pandemiegeschehen und schafften wichtige Entspannungs- und Entlastungsmomente. Auch medienpädagogische Angebote standen oftmals im Fokus der Förderungen, auch bei Angeboten, die stärker dem Bereich der Aktionstage, der spezifischen Freizeitgruppen oder Kommunikations- und Sozialkompetenztrainings zugeordnet wurden. Hier besteht insgesamt Handlungsbedarf, der bereits über den Kinder- und Jugendförderplan markiert und durch für Essen formulierte Handlungsziele flankiert wurde. Über die geförderten Angebote konnten in 2022 rund 6.000 junge Menschen erreicht werden. Es wurden 850.084 Euro Fördermittel verausgabt.
Schulsäule - "Ankommen und Aufholen nach Corona"
Dem Fachbereich Schule wurden über den Baustein "Extra-Geld" zusätzliche Fördermittel zur Verfügung gestellt. Anders als in den Fördersäulen, die beim Jugendamt verortet sind, wurde die Förderung durch das zuständige Ministerium von Anfang an jahresübergreifend für 2021/2022 angelegt. Entlang der Vorgaben des Ministeriums wurde die Verteilung in den drei unterschiedlichen Bereichen des Schulbudgets, des Schulträgerbudgets und der Bildungsgutscheine zunächst wie folgt festgelegt. Die Schulbudgets wurden unmittelbar an die Schulen zur eigenverantwortlichen Mittelverausgabung vor Ort zur Verfügung gestellt. Diese Budgets wurden, nachdem im Bereich des Schulträgerbudgets im Jahresverlauf 2022 erkennbar noch freie Mittel zur Verfügung standen, um rund 878.850 Euro aufgestockt. Derzeit ist noch nicht absehbar, in welcher Höhe mit der Rückgabe von Restmitteln zu rechnen ist, da eine Abrechnung durch die Schulen final erst im März erfolgen muss. Über das Schulträgerbudget konnte neben der Ausweitung interner Projekte ergänzend die Gewährung von 113 zusätzlichen Anträgen mit einem bewilligten Fördervolumen von 765.000 Euro erfolgen. Neben Angeboten mit dem inhaltlichen Schwerpunkt im Bereich „Lernen lernen“ und weiteren Sozialkompetenztrainings wurden in Absprache mit dem Jugendamt auch Unterstützungsmöglichkeiten im Übergang Kita-Grundschule finanziert, um die Zielgruppe der Erstklässler*innen zumindest partiell mit in den Blick nehmen zu können. Final ist festzuhalten, dass im Förderjahr 2022 in Essen zusätzlich zum Schulträgerbudget und zu den Bildungsgutscheinen insgesamt 526, in der Gesamtförderlaufzeit des Aktionsprogramms "Aufholen nach Corona" 728, zusätzliche Angebote geschaffen werden konnten.
Jugendamt macht auf weitere pandemiebedingte Problemlagen aufmerksam
Im Zuge von Problemanzeigen an den Deutschen Städtetag hat das Jugendamt der Stadt Essen darauf verwiesen, dass zwar mit einem tendenziellen Rückgang von unmittelbarer Belastung durch das Pandemiegeschehen zu rechnen ist, sich die langfristigen Auswirkungen der Pandemie aber erst perspektivisch abzeichnen werden. Hinzu kommen weitere gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, die bei jungen Menschen und ihren Familien zu weiteren Verunsicherungen führen. Bereits im Frühherbst wurde auf die Belastungen hingewiesen, über die junge Menschen und ihre Eltern in pädagogischen Settings berichten. Neben dem Krieg in der Ukraine, der viele junge Menschen in ihrem Sicherheitsgefühl erschüttert und Ängste manifestiert hat, ist es ebenso die Energiekrise und die Folgen der Inflation, die junge Menschen verunsichern. Insbesondere bei Eltern werden Ängste deutlich, ihre Kinder nicht mehr angemessen versorgen zu können. Dies wird sowohl auf materielle Ressourcen als auch auf emotionale Begleitung bezogen. Exemplarisch gilt es, dies anhand eines konkreten Beispiels zu verdeutlichen: So berichten die Mitarbeitenden des Essener Kinderschutzbundes aus dem Fachbereich Kindesentwicklung über das Zentrum für Kindesentwicklung (ZfK) und die Interdisziplinäre Frühförderstelle (IFF) über erhebliche Auswirkungen der Pandemie. Die Hinweise beziehen sich auf Kinder von null bis neun Jahren und sollen im Folgenden dargestellt werden.
Alter der Kinder
In den vergangenen drei Jahren wurden erheblich mehr jüngere Kinder (zwischen zwei und drei Jahren) mit komplexeren Auffälligkeiten in verschiedenen Bereichen (Motorik/Sprache/Verhalten/Interaktion) angemeldet.
Veränderungen der Problematik in den letzten drei Jahren
Der DKSB verzeichnet gehäuft Probleme im Bereich der Interaktion, wenig bis kein produktives und gemeinschaftliches Spielen; die Kinder zeigen oft wenig bis keinen Blickkontakt. Als Folgeerscheinung werden deutliche Sprachentwicklungsverzögerungen beobachtet, darunter viele drei- bis vierjährige Kinder, die keine Sprache zeigen. Viel häufiger werden auch sehr unruhige Kinder angemeldet. Sie sind zwar im Raum orientiert, ohne jedoch ein Spiel zu entwickeln. Abzuwarten, zuzuhören und sich zu konzentrieren fällt ihnen schwer. Bei Schulkindern werden neben Sprachproblematiken auch große Probleme in der Stifthaltung, beim Umgang mit der Schere und Konzentrationsschwierigkeiten festgestellt. Die Kinder haben deutlich mehr Auffälligkeiten in der Handlungsplanung, in sozialen Fähigkeiten und zeigen oft geringe Leistungsbereitschaft, wenig Frustrationstoleranz, mangelndes Konfliktmanagement und kaum Ressourcen zur Problemlösung. Außerdem wird eine deutliche Zunahme von Entwicklungsstörungen des emotional-sozialen Bereichs, vor allem bei ganz jungen Kindern, identifiziert.
Medienkonsum
Ein stark angestiegener Medienkonsum verstärkt diese Problematiken. Teilweise erlebt der DKSB Zweijährige, die täglich bis zu acht Stunden mit Medien beschäftigt werden. Häufig beobachtet der DKSB ein Nachspielen von Figuren aus dem Medienbereich, die nicht altersentsprechend sind.
Auswirkungen auf den Alltag der Kinder und die Familie
Kinder ohne Sprache haben natürlich stark verminderte Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion: Verhaltensauffälligkeiten, wie zum Beispiel Aggressivität, steigen deshalb an. Dies führt vermehrt auch in den Kindertageseinrichtungen zu großen Schwierigkeiten; teilweise können diese Kinder aufgrund des hohen zusätzlichen Betreuungsbedarfs nur stundenweise oder gegebenenfalls gar nicht mehr betreut werden. Der Fachkräftemängel, auch bei den Integrationshelferinnen*Integrationshelfern, verstärkt diese Problematik.
Ebenso wie die Fachkräfte in Essen verweist auch die Wissenschaft auf die Notwendigkeit einer dauerhaften und strukturell abgesicherten Förderung einer Unterstützungsstruktur junger Menschen und ihrer Familien in Krisenzeiten. Die in den letzten anderthalb Jahren gewonnen Erkenntnisse zu durchgeführten Projekten würden es ermöglichen, eine Rahmung präventiver Förderungen in Krisenzeiten zu gestalten. Finanzierungsmöglichkeiten für die Umsetzung eines entsprechenden Ansatzes stehen aktuell jedoch nicht zur Verfügung. Entsprechend hat sich die Steuerungsgruppe der (Post-)Corona-Struktur mit anderen Fördermöglichkeiten auseinandergesetzt, um gemeinsam zu eruieren, ob darüber Teilfinanzierungen ermöglicht werden können. Unmittelbare Anschlussfinanzierungen bestehen aktuell nicht. Daher hat die Stadt Essen 120.000 Euro an städtischen Mitteln zur Fortsetzung der Maßnahmen über die Haushaltsanmeldung bereitgestellt.
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