Das Wichtigste auf einen Blick:
Im Jugendhilfeausschuss wurde am Dienstag (11.02.) ein Bericht über die Entwicklungen der Kinderschutzpraxis in Essen vorgestellt. Der Bericht basiert auf den gesetzlichen Neuerungen durch das Landeskinderschutzgesetzt NRW, das am 6. April 2022 im Landtag verabschiedet wurde.
Das Landeskinderschutzgesetz NRW, zielt darauf ab, die Arbeit der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen bei der Abwehr von Kindeswohlgefährdungen zu unterstützen. Das Gesetz konzentriert sich auf zwei wesentliche Bereiche: den akuten Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie die präventive Stärkung ihrer Rechte durch Aufklärung und Beteiligung. Um die Umsetzung des Gesetzes zu gewährleisten, fordert es von den Jugendämtern so auch vom Jugendamt der Stadt Essen die Sicherstellung fachlicher Mindeststandards und die Durchführung regelmäßiger Qualitätsentwicklungsverfahren in der Kinderschutzpraxis. Zudem sollen interdisziplinäre Netzwerke zum Kinderschutz aufgebaut und koordiniert werden, während Kinder und Jugendliche aktiv in die Gestaltung ihrer Lebenswelten einbezogen werden. Zur Umsetzung des Landeskinderschutzgesetzes NRW zahlt das Land NRW jährlich einen finanziellen Belastungsausgleich an die Kommunen. Für das Jahr 2024 erhielt die Stadt Essen insgesamt 2.071.319 Euro.
Organisatorische Veränderungen im Jugendamt Essen
Um den Anforderungen des Gesetzes gerecht zu werden, wird es zu Beginn des Jahres 2025 einige organisatorische Veränderungen im Jugendamt Essen geben. Innerhalb der Abteilung Jugendhilfeplanung wird eine neue Fachgruppe "Qualität im Kinderschutz" eingerichtet, die federführend die Themen des Landeskinderschutzgesetzes bearbeiten wird. Diese Fachgruppe wird sich mit der Qualitätsentwicklung im Kinderschutz, dem Aufbau von Netzwerken sowie der Schutzkonzeptberatung und anonymen Fallberatung ("InsoFa-Beratung") befassen. Die Einführung der Fachgruppe ermöglicht ein abteilungsübergreifendes Arbeiten, wodurch alle Themen des Kinderschutzes zentral koordiniert werden können. Die enge Verzahnung mit den Sozialen Diensten bleibt durch den bestehenden "Qualitätszirkel Kinderschutz" gewährleistet, um den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen effektiv zu erfüllen. Ein Beispiel für die bereits bestehende enge Zusammenarbeit ist die Kooperation mit dem Jugendpsychologischen Institut, insbesondere im Bereich der Fachberatung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit in Bereichen wie der Inklusiven Jugendhilfe und den Kinderrechten intensiviert, um Synergieeffekte zu nutzen und die Qualität im Kinderschutz weiter zu verbessern.
Meldungen Kindeswohlgefährdung von 2018 zu 2023 fast verdoppelt – 2.607 Meldungen 2023
Bei dem Eingang von Meldungen einer möglichen Kindeswohlgefährdung ist seit 2018 ein stetiger Anstieg zu verzeichnen. Besonders hohe Anstiege gab es im Jahr 2019 sowie im Jahr 2023. In der Zeit von 2018 bis 2023 haben sich die Meldungseingänge, bzw. die Verfahren zur Überprüfung von Hinweisen zu einer möglichen Kindeswohlgefährdung nahezu verdoppelt:
Bei der Auswertung nach Meldergruppen zeigen sich ähnliche Anstiege, wie bei den Gesamtmeldungen. Besondere Zuwächse zeigen sich auch hier fast übergreifend in den Jahren 2019 und 2023. Die größten Steigerungen nach Meldergruppen zeigen sich in den Bereichen "Polizei, Gericht, Staatsanwaltschaft" sowie "sonstige". Eine mögliche Begründung des Anstiegs bei Meldungen durch Polizei, Gerichte oder Staatsanwaltschaften findet sich in der systematisierten Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Behörden. So wird das Jugendamt mittlerweile regelhaft informiert, sobald beispielsweise bei häuslicher Gewalt oder bei (bestimmten) Straftaten Kinder und Jugendliche im Haushalt leben. Im Gegensatz zu früheren Vorgehensweisen erfolgt dies nun auch, wenn die Minderjährigen nicht selbst betroffen sind. Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Meldungen durch Polizei und Justiz bundesweit in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht, was sich auch in den Essener Zahlen abbildet.
Folgen der Pandemie möglicher Grund für Steigung von Kindeswohlgefährdungen
Die Fachkräfte der Sozialen Dienste sehen insgesamt mögliche Gründe für die Steigerung der Zahlen über die letzten Jahre weiterhin als Folgen der Pandemie. Zwar ist in den Institutionen bereits seit längerer Zeit Normalität eingekehrt, jedoch zeichnen sich in vielen Bereichen gesteigerte Probleme bzw. Bedarfe ab. Viele der Kinder, die zu Beginn der Pandemie noch sehr klein waren, kommen mittlerweile in die Kitas oder in das Schulsystem, wo die Entwicklungsrückstände der letzten Jahre erst deutlich werden. Zudem können die Zahlen darauf hindeuten, dass sich durch Aufklärung und eine bessere Kooperation im Kinderschutz das sogenannte "Hellfeld", also jene Kindeswohlgefährdungen, die wahrgenommen werden, erweitert. Die Tatsache, dass festgestellte Kindeswohlgefährdungen oder ein Hilfebedarf ansteigend sind, während bei ebenso gesteigerten Meldungen insgesamt eher im gleichbleibenden Maß "keine Gefährdung und kein Hilfebedarf" festgestellt werden, würde für eine Erweiterung des Hellfeldes sprechen.
Anzahl Inobhutnahmen bei rund 600 in Essen
Die Gesamtzahl der Inobhutnahmen ist in der Zeit von 2018 bis 2023 insgesamt relativ konstant geblieben und lag zwischen 574 im Jahr 2018 und 600 Inobhutnahmen im Jahr 2023. Im Gegensatz zu den regulären Inobhutnahmen haben sich die Zahlen bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen von 2019 von 135 bis 2023 auf 243 jedoch mehr als verdreifacht. Die Gründe für Inobhutnahmen sind sehr vielfältig. Der mit Abstand häufigste Grund für Inobhutnahmen ist über die Jahre gleichbleibend eine "Überforderung". So ist sowohl in der Kategorie "Kindesmisshandlung physisch" sowie bei "Kindesmisshandlung psychisch" ein größerer Anstieg zu verzeichnen.
Steigende Zahlen beim Kinder- und Jugendnotruf
Für Kinder und Jugendliche, die in Essen in Not geraten, gibt es eine Telefonnummer, unter der sie rund um die Uhr Rat, Hilfe und Schutz bekommen können: 0201 265050. Auch Eltern und Angehörige, die unmittelbar Rat und Hilfe benötigen, können dort jederzeit anrufen. Das Jugendamt und Diakoniewerk Essen teilen sich den Dienst am Telefon. Während der Notruf tagsüber vom Jugendamt entgegengenommen wird, erreichen Anrufer*innen außerhalb der Bürozeiten das Diakoniewerk Essen. Die Entwicklung der steigenden Kindeswohlgefährdungsmeldungen und Inobhutnahmen bilden sich auch in den Zahlen des Kinder- und Jugendnotrufes ab. Die Anzahl der Anrufe stieg von 1422 Anrufen im Jahr 2018 zu 1860 Anrufe im Jahr 2023.
Anonyme Fallberatung durch insoweit erfahrene Fachkräfte
Die anonyme Fallberatung durch insoweit erfahrene Fachkräfte ("InsoFa-Beratung") erfolgt seit 2018 kontinuierlich in einer kleinen spezialisierten Fachstelle innerhalb des Jugendamtes. Das Angebot der anonymen Fallberatung richtet sich an alle Menschen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Aktuell wird das Angebot vorrangig durch Lehrende und andere pädagogische Fachkräfte aus dem Schulbereich sowie durch Erzieher*innen genutzt. Im Falle von Hinweisen auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung wird die Meldung an den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes gemeinsam qualifiziert und vorbereitet. Die Nutzung des Webformulars unter www.essen.de/fachinfo-sozialedienste für Beratungsanfragen hat sich etabliert und ermöglicht eine zeitnahe Kontaktaufnahme durch die Fachkräfte der anonymen Fallberatung. Die breite Information über die Möglichkeit der anonymen Fallberatung führt dazu, dass die Anfragen, bzw. die durchgeführten Beratungen über die letzten Jahre deutlich angestiegen sind von 150 Anfragen im Jahr 2018 auf 442 Anfragen im Jahr 2023.
Weitere Informationen finden Interessierte in der Vorlage 1252/2024/4.
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