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14.08.2024
7 Min

"Wir bauen ZukunftsChancen"

Baudezernent Martin Harter im Interview über den Essener Schul(aus)bau


Steigende Schülerzahlen und veränderte Rahmenbedingungen machen in Essen mehr Schulraum erforderlich. Getreu dem Motto "Wir bauen ZukunftsChancen" reagiert die Stadt Essen aktuell bereits mit einem umfassenden Bauprogramm auf die angespannte Lage. Sie hat zudem eine Arbeitsgruppe Schulbau etabliert. Geleitet wird diese von Martin Harter, der in Dortmund Raumplanung studierte und seit 2020 Geschäftsbereichsvorstand Stadtplanung und Bauen der Stadt Essen ist. Im Gespräch mit "E! Das Stadtmagazin" gibt er Einblick in den Schulbau für Essens Kinder.

Kurzvita Martin Harter

2007-2012
Leiter Amt für Stadtplanung, Bauaufsicht und Stadtentwicklung in Mülheim an der Ruhr

2012-2014
Stadtbaurat in Gladbeck

2014-2020
Stadtbaurat in Gelsenkirchen

Seit 01/2020
Geschäftsbereichsvorstand für Stadtplanung und Bauen der Stadt Essen

Bereits im fünften Jahr sind Sie Beigeordneter der Stadt Essen für den Geschäftsbereich Stadtplanung und Bauen. Der Schulbau hat eine der höchsten Prioritäten für die Stadt Essen. Was bedeutet das konkret für die Stadtentwicklung und Stadtplanung in Essen?

Martin Harter: Für uns, die sich mit allen Aspekten und Themen des Bauens in der Stadt befassen, ist es ein Drahtseilakt alle Bedürfnisse und Anforderungen decken zu können. Konkret bedeutet dieses, dass wir den großen Bedarf an Schulplätzen in kürzester Zeit bedienen und zur Verfügung stellen müssen. Zugleich dürfen wir aber auch andere aktuelle Themen wie die Schaffung von Wohnraum, den Bau von Kitas, Sportstätten und vieles mehr nicht vernachlässigen. Ansonsten wird eines der vernachlässigten Themen zeitnah eine weitere Priorität der Stadtentwicklung.

Erster Schritt für jedes Bauprojekt ist ein passendes Grundstück mit entsprechender Infrastruktur zu finden und gegebenenfalls auch erwerben zu können. Die Grundstückssuche in einer Stadt wie Essen, bei der die Flächen für Schulbau in Konkurrenz zu Sportstätten, Wohnflächen und Gewerbeflächen stehen, ist die erste und teils größte Herausforderung. Nehmen wir nun an, wir haben eine Fläche gefunden, dann haben wir vorher schon die Bedarfe definiert, Flächenoptionen geprüft und Risiken über und unter der Erde benannt. Alles nur, um herauszufinden, ob die aktuelle Fläche eine passende Option wäre. Die Vorarbeiten, bevor man sich für ein Grundstück entscheiden kann, sind oft für die Bevölkerung nicht wahrnehmbar, aber sehr umfassend und zeitintensiv.

Die Grundvoraussetzung für all diese Vorarbeiten sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die diese Aufgaben erfüllen. Auch die Stadtverwaltung steht vor der schwierigen Situation des Fachkräftemangels: Wir haben nicht ausreichend Personal für den großen Umfang an Projekten die von der Stadtverwaltung in so kurzer Zeitspanne geplant, umgesetzt und betreut werden müssen. Ein Problem der heutigen Zeit, das wir mit vielen anderen Stadtverwaltungen und Betrieben teilen.

Wieso ist der Stadt Essen der Schulbau so wichtig und warum ist er Ihnen auch persönlich ein Anliegen?

Die Städte stehen in der Pflicht, jeder Schülerin und jedem Schüler einen passenden Schulplatz anzubieten. Das betrifft jeden Grundschüler und jeden Schüler einer weiterführenden Schule. Nach geburtenstarken Jahrgängen, dem Zuwachs durch Flüchtlinge und der Rückkehr zu G9, also dem Abitur nach 13 Schuljahren und nicht mehr nach 12 Jahren, fehlen uns Schulen beziehungsweise Schulplätze. Eine haltlose Situation für viele Kinder und ihre Familien in Essen. Das muss und will die Stadt Essen ändern. Deshalb ist eine unserer ersten Prioritäten bei den Bauprojekten der Schulbau inklusive der G9-Erweiterungen.

Ich bin selber Vater und weiß aus erster Hand, wie wichtig gute Schulen mit einer zeitgemäßen Ausstattung sind. Wir bauen "ZukunftsChancen" für die Kinder der Stadt Essen, um die Bedarfe zu decken und notwendige Voraussetzungen für bestmögliche Entwicklungen schaffen zu können. Denn Schulen sind in unserer heutigen Zeit nicht mehr nur Orte des Lernens, sondern die Gebäude, die wir entwickeln, bieten viel mehr als nur das. Sie sollen Orte des sozialen Miteinanders innerhalb eines Stadtteils sein und somit eine Bereicherung für den gesamten Stadtteil. Es geht nicht mehr nur um Schule, sondern um die Schaffung eines sozialen Knotenpunkts der für alle Bürgerinnen und Bürger einen Mehrwert bietet.

Bauprojekte dauern gefühlt, wenn sie in der Hand der Verwaltung liegen, länger als Bauprojekte in der freien Wirtschaft. Täuscht dieser Eindruck oder was sind die Gründe dafür?

Nein, dieser Eindruck täuscht oft leider nicht. Wir wären froh, wenn wir agieren könnten wie die Kollegen in der freien Wirtschaft, aber die Ausgangssituationen sind völlig andere, auch wenn es am Ende in beiden Fällen um den Bau eines Gebäudes geht.

Wir sind an enge gesetzliche Vorgaben in Hinblick auf die Vergabe der unterschiedlichen Dienstleistungen gebunden, zum Beispiel eine europaweite Ausschreibung mit der Einhaltung bestimmter Laufzeiten. Viele Schulneubauprojekte werden mit einem Architekturwettbewerb ausgeschrieben, damit wir die Wahl haben für die wirklich passenden Schule – auch das passiert europaweit. Zudem agieren wir von der Stadtverwaltung in Kooperation mit den Ausschüssen und anderen politischen Gremien wie beispielsweise dem Rat der Stadt Essen. Wir entwickeln Projektpläne inklusive Risiken und Kosten, die wir dort vorstellen und darüber entscheiden lassen. Es geht in den meisten Fällen um hohe Summen des städtischen Haushalts und das entscheiden nicht wir allein im Geschäftsbereich Stadtplanung und Bauen. Wir müssen projektintern Firmen finden, die den Bau zuverlässig umsetzen können. Teils gibt es Lieferschwierigkeiten, Probleme mit dem Baugrund, das Wetter verzögert den Bauablauf oder Firmen springen ab und man muss den Projektplan um etliche Monate nach hinten verschieben.

Das alles braucht Zeit und fordert Diskussionen und ist nicht vergleichbar mit den kurzen Entscheidungs- und Prozesswegen bei einem privaten oder gewerblichen Bauprojekt. Um die gesetzlichen Ansprüche zu decken und mit den vorhandenen monetären Mitteln arbeiten zu können, braucht es oft mehr Zeit als bei Bauprojekten in der freien Wirtschaft.

Wer ist an der Planung und Umsetzung eines solchen riesigen Bauprojekts wie etwa der Gesamtschule Altenessen-Süd beteiligt?

Wenn die Bauprojekte von der Stadtverwaltung, also einem Fachbereich des Geschäftsbereiches Stadtplanung und Bauen, betreut werden, gibt es eine zuständige Projektleiterin oder einen zuständigen Projektleiter. Die Projektleitung ist die Kontaktperson und kennt den aktuellen Status, weil man im Austausch mit den Dienstleistern und dem Kollegium aus den anderen Fachbereichen steht. Auch arbeiten wir mit Tochtergesellschaften der Stadt zusammen, die die Planung und Überwachung der Umsetzung für uns übernehmen. Schnittstelle sind aber stets wir, um den Informationsfluss in alle Richtungen zu gewährleisten und gegebenenfalls notwendige Entscheidungen herbeizuführen.

Bei Schulbauprojekten ist ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlichster Geschäftsbereiche notwendig: Der Fachbereich Schule gibt die strukturellen Vorgaben und hat mit der Schulentwicklungsplanung 2021 bis 2030 die Schulplatzbedarfe aufgezeigt. Neben dem Bau des Schulgebäudes und der Freiflächen braucht es auch eine Infrastruktur für Zu- und Abwege, die digitalen und technischen Voraussetzungen, die Nachhaltigkeit des Bauens muss beachtet werden und vieles mehr. Den Rat der Stadt müssen wir immer einbeziehen, um die Transparenz und die Abwicklung der Pläne und Kosten zu gewährleisten und Entscheidungen zu erwirken. Das funktioniert nur, wenn die Bereiche sich stets auf dem neusten Stand halten und bei Problemen den direkten persönlichen Austausch suchen. Die dafür notwendige interne Infrastruktur haben wir in den letzten Jahren geschaffen.

Was sind die größten Risiken, wenn man heute eine Schule bauen will?

Diese sind nur schwer zu benennen, da jedes Bauprojekt neue Herausforderungen mit sich bringt. Grundsätzlich ist, wie schon gesagt, teilweise der schwierigste Schritt das Finden eines passenden Grundstücks. Aus diesem Grund stehen wir auch immer Investoren, die eine Schule für uns bauen wollen, offen gegenüber. Für eine Grundschule im Großraum Rüttenscheid arbeiten wir mit einem Investor zusammen, da wir selbst kein Grundstück finden konnten. Die Ausschreibung für eine weitere Schule in einem weiteren Stadtteil ist wahrscheinlich. Überhaupt schließen wir keinen Weg aus, um unser Ziel zu erreichen, gute Schulen für die Stadt zu bauen; können wir auch nicht, denn unser Zeitplan ist extrem eng und bietet wenig Spielraum.

Der Tag des Schulbaus: ZukunftsChancen live

Ein Tag, um sich neueste Bauprojekte vor Ort anzuschauen

Die Stadt Essen lädt seit 2023 interessierte Bürgerinnen*Bürger ein, sich abgeschlossene und auch noch in der Bauphase befindliche Bauprojekte anzuschauen. Dieses Jahr öffnen sich die Türen für zwei Schulen in Rüttenscheid und eine Schule in Kupferdreh. Für die Führungen in Rüttenscheid können sich Interessierte bis 30. August 2024 online auf der städtischen Webseite zum Tag des Schulbaus anmelden. Für die Hinsbeckschule, Abzweig Oslenderstraße, in Kupferdreh sind keine Voranmeldungen notwendig.

Programm zum Tag des Schulbaus

Modulbau an der Rosastraße
Treffpunkt: Haupteingang / Start der Führungen: 12 Uhr und 14 Uhr
Anmeldung erforderlich

Erweiterungsbau der Sternschule
Treffpunkt: Haupteingang / Start der Führungen: 12 Uhr und 14 Uhr
Anmeldung erforderlich

Hinsbeckschule, Abzweig Oslenderstraße (Standort ehemalige Dilldorfschule)
Tag der offenen Tür: 12 bis 15 Uhr

Schulentwicklungsplanung: Basis für Schulbauprojekte

Im Schuljahr 2021/22 hat die Stadt Essen ihre Schulentwicklungsplanung für alle Schulformen in Essen fortgeschrieben. Sie ist in drei Bänden erschienen. Jeder Band liefert zahlreiche Informationen zu den Grundlagen der Planung, zur Entwicklung des Bildungsangebots, zur Zusammensetzung der jeweiligen Schülerschaft, zu Pendlerbewegungen und räumlichen Auslastungen. Diese Schulentwicklungsplanung liefert die Vorgaben für die aktuellen Schulbauprojekte, weil sie die Notwendigkeiten definiert.

Alle Informationen zum Thema Schulausbau inklusive Neuigkeiten und Steckbriefen zu aktuellen Bauprojekten finden Interessierte auf der Website der Stadt Essen unter www.essen.de/machtschule.


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