Fachkräftegewinnung von Erzieherinnen*Erziehern – Stadt Essen legt Strategie für die nächsten Schritte vor

13.06.2023

Die Stadt Essen steht genauso wie andere Kommunen vor der großen Herausforderung in den kommenden Jahren Erzieher*innen zu gewinnen. Dafür hat sie analysiert, welcher Personalbedarf für Erzieher*innen in den Bereichen Stationäre Hilfen bzw. Heime, Kindertageseinrichtungen, in der Offenen Ganztagesschule (OGS) und in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bis 2030 besteht.

Das Thema Fachkräftemangel im Bereich Kita und OGS wird perspektivisch noch stärker zur gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Viele Kommunen haben bereits im zurückliegenden Winter gesehen, dass einige Kitas und OGS, Stationäre Hilfen und Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit ihre Angebote nicht wie gewohnt anbieten konnten. "Die Stadt Essen hat eine fachbereichsübergreifende Planungsgruppe eingerichtet, um eine Strategie und Antwort für den Fachkräftebedarf zu entwickeln. In dieser Arbeitsgruppe bringen verschiedene Fachbereiche der Verwaltung ihre Kompetenzen mit ein", erklärte Muchtar Al Ghusain, Geschäftsbereichsvorstand Jugend, Bildung und Kultur der Stadt Essen.

Zahlen und Auswirkungen für die einzelnen Bereiche

Die Dringlichkeit des Handlungsbedarfes wird durch die Anzahl der bis 2030 fehlenden Erzieher*innen in Essen deutlich. Durch Personalfluktuation, Renteneintritten und dem Ausbau der Angebote werden in Essen bis zum Jahr 2030 insgesamt rund 2.570 Erzieher*innen benötigt. In den Stationären Hilfen/ der Heimerziehung fehlen bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 400 Erzieher*innen.

In der Frühkindlichen Bildung müssen Träger ihre Betreuungszeiten aufgrund von Personalengpässen einschränken. Mittelfristig kann dies im schlimmsten Falle zu einem Abbau statt einem Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder im Alter von eins bis sechs Jahren führen. Ohne den entsprechenden Betreuungsplatz können Eltern häufig keine Arbeit aufnehmen oder nicht im gewünschten Stundenumfang arbeiten. In den zurückliegenden Jahren hat der kontinuierliche Ausbau an Betreuungsplätzen zu einem deutlichen Personalmehrbedarf an Erzieherinnen*Erziehern geführt. Seit dem Kita-Jahr 2011/2012 sind in Essen rund 7.500 neue Kitaplätze geschaffen worden, dies entspricht einer Steigerung an Kita-Plätzen von rund 40 Prozent. "Anders als in vielen anderen Kommunen schlägt der Fachkräftemangel bei uns noch nicht so deutlich zu, er wird aber absehbar einen deutlich größeren Raum einnehmen", so Carsten Bluhm, Fachbereichsleiter des Jugendamtes. Bis zum Jahr 2030 fehlen in diesem Bereich voraussichtlich 1.371 Erzieher*innen.

In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit reduzieren Einrichtungen ihre Öffnungszeiten oder bleiben zeitweise geschlossen, weil keine Stellennachbesetzungen vorgenommen werden können. Damit droht eine seit Jahrzehnten etablierte feste Säule der außerschulischen und non-formalen Bildung wegzubrechen. Bis zum Jahr 2030 fehlen und voraussichtlich 16 Erzieher*innen.

Auch im Bereich der Offenen Ganztagsschule (OGS) gestaltet sich die Stellen- und Betreuungssituation herausfordernd. "Bereits heute können vakante Stellen nicht immer zeitnah besetzt werden. Mit der ab dem Jahr 2026 beschlossenen schrittweisen Einführung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung wird diese Herausforderung weiter intensiviert", sagte Andrea Schattberg, Leiterin des Fachbereichs Schule. Das Ausführungsgesetz soll spätestens in 2024 beschlossen werden. Die Konsequenzen des Rechtsanspruchs auf den OGS-Betrieb sind noch nicht abschließend einzuschätzen. Der Ausbau des Angebotes scheint aber derzeit kaum umsetzbar. Im Bereich OGS fehlen bis 2030 voraussichtlich 785 Erzieher*innen.

Analyse und Antwort – Essener Weg und Strategie

In den vergangenen Monaten haben sich mit der Analyse und der Antwort auf diese Herausforderung zahlreiche Fachbereiche beschäftigt. Der Essener Weg und die Strategie der Stadt Essen berücksichtigt sämtliche Stellungnahmen und Papiere zum Fachkräftebedarf seitens LVR, Städtetag NRW, der nordrhein-westfälischen Ministerien.

"Gute Lösungen können nur in einem gemeinsamen Agieren von Stadt, Trägern und Land realisiert werden. Der Schulterschluss zum Thema Fachkräfte zwischen dem Städtetag NRW, dem Deutschen Städtetag, den Wohlfahrtsverbänden, den Jugendverbänden, den weiteren freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, den zuständigen Landesministerien, den Bezirksregierungen und den Landesjugendämtern ist notwendig und muss auch auf kommunaler Ebene erfolgen", so Muchtar Al Ghusain, Geschäftsbereichsvorstand Jugend, Bildung und Kultur der Stadt Essen.

Meilensteine für die kommenden 12 Monate

Um dieses gemeinsame Vorgehen zu initiieren und die Vorschläge für ein mögliches Vorgehen über die Stadtverwaltung hinaus zu konkretisieren sind die folgenden Meilensteine in den kommenden 12 Monaten geplant:

  • 4. Quartal 2023
    Erster Essener Fachkräftetag Sozial- und Erziehungsdienst und Gründung des Essener Bündnisses für Fachkräfte im Sozial- und Erziehungsdienst
  • 1. Quartal 2024
    Analyse "Fachkräftebedarf in Bezug auf die weiteren Arbeitsfelder und Professionen in der Kinder- und Jugendhilfe und im Bildungssystem"
  • 2. Quartal 2024
    Vorlage des Konzeptes "Fachkräftegewinnung und -bindung in Essen im Erziehungsdienst" mit Beschlussvorschlag zur Ausweitung auf weitere soziale Berufe

Die umfangreichen und anspruchsvollen Zukunftsaufgaben sollen durch eine "Task Force Fachkräfte" mit drei vollen Personalstellen für den Geschäftsbereich Jugend, Bildung und Kultur vorangebracht werden. Diese Task-Force wird vorrangig in den folgenden Bereichen und Funktionen aktiv:

  • Fachliche Begleitung des Bündnisses für Fachkräfte in den Sozial- und Erziehungsdiensten, Entwicklung des Gesamtkonzepts und von einzelnen Maßnahmenkonzepten, der Strukturentwicklung auf überörtlicher und Landesebene, der Entwicklung von Angeboten zur Fachkräfteausbildung.
  • Identifizierung und Vernetzung aller relevanten und notwendigen Essener Akteurinnen und Akteure, um die identifizierten Themen bearbeiten und die entsprechenden Ideen zur Problemlösung umsetzen zu können, vertiefte fachbereichsübergreifende Analyse der Essener Situation, Konzeptentwicklung für Maßnahmen für Fachkräftegewinnung.
  • Lobbyarbeit für das Thema, Entwicklung von Werbematerialien und Begleitung der Entwicklung der Imagekampagne für Essen, Entwicklung von Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität des Arbeitsfeldes und zur Fachkräftebindung Bindung.

Erste Vorschläge und Ansatzpunkte, um die notwendige Anzahl an Fachkräften für Essen zu gewinnen

Die Planungsgruppe hat bereits erste Vorschläge und Ansätze für die Gewinnung der notwenigen Anzahl an Fachkräften in Essen entwickelt und arbeitet bereits seit Monaten an Umsetzungsstrategien, die in Teilen aber nur mit Unterstützung anderer Partner, insbesondere des Landes NRW zu realisieren sind.

  • a) Erhöhung der Ausbildungskapazitäten
    • Ausweitung der Ausbildungsplätze an den Essener Berufskollegs
    • Kooperation mit den Fachschulen anderer Städte
    • Verstärkte Ausbildung von Lehrkräften
    • Einbezug von Praktikerinnen und Praktikern in den Unterricht
  • b) Öffnung der Ausbildung/ Gewinnung weiterer Zielgruppen
    • Quereinstiegsmöglichkeiten für Studienabbrecherinnen und -abbrecher
    • Zugang für Menschen, die bereits Erfahrung in der Betreuung von Kindern aufweisen
    • (Teil-)Anerkennung ausländischer Abschlüsse
    • Umsetzung berufsbegleitender Ausbildungsformen
  • c) Öffnung der Arbeitsfelder
    • Ausweitung der in den Arbeitsfeldern einsetzbaren Professionen
    • (Zeitweise) Absenkung des Fachkräftegebots
  • d) Stärkung der Berufsorientierung für soziale Arbeitsfelder (u.a. im Rahmen des Landesprogramms „Kein Abschluss ohne Anschluss“)
    • Berufsfelderkundungstage in städtischen Einrichtungen sowie Einrichtungen freier Träger
    • Betriebspraktika
    • Newsletter für Soziale Berufsfelder
    • Sensibilisierung der Koordinatorinnen und Koordinatoren für berufliche Orientierung
    • Ausschöpfung der Möglichkeiten des Freiwilligen Sozialen Jahres
  • e) Erhöhung der Attraktivität der Ausbildung und des Berufsbildes
    • Einführung einer Ausbildungsvergütung in den konsekutiven Ausbildungsgängen
    • Imagekampagne zur Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennung und des Bekanntheitsgrades der Berufsfelder
    • Schaffung finanzieller Anreize
  • f) Anwerbung ausländischer Fachkräfte
    • Anwerbung ausländischer Fachkräfte in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur/ dem Jobcenter
  • g) Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen
    • Entlastung der Erzieherinnen und Erzieher durch Unterstützungskräfte
    • Verlagerung von administrativen Tätigkeiten auf zusätzliche Verwaltungskräfte
  • h) Verbesserung des Standortes Essen/ Bindung an die Stadt
    • Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
    • Schaffung finanzieller und weiterer Anreize

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