Im nördlichen Bereich der Essener Innenstadt, an der Ecke Kastanienallee / Weberstraße, finden Bauarbeiten im Rahmen des Neubauprojektes zur Umgestaltung des Weberplatzes statt. Bereits im Mai konnte die Stadtarchäologie neben Bebauungsresten des 19. und 20. Jahrhunderts, Gräber entdecken und dokumentieren. Bei weiteren baubegleitenden archäologischen Ausgrabungen am Weberplatz konnten nun weitere spannende Funde freigelegt werden.
An der Stelle der aktuellen Baumaßnahme befand sich vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert ein Friedhof. Bislang konnten über 300 Gräber freigelegt und dokumentiert werden, teilweise zeigten sich dabei noch komplett erhaltene Holzsärge. Obwohl die Erhaltungsbedingungen für die Holzsärge günstig waren, sind kaum noch Knochen der Bestatteten im Boden erhalten geblieben. Umso erstaunlicher war es, dass nun bei Ausgrabungen drei komplett erhaltene Körperbestattungen gefunden werden konnten. Bei der Freilegung der Bestatteten zeigte sich auch der Grund dafür: Die Bestatteten müssen verhältnismäßig jung sein, da sie ältere Gräber überschnitten und diese zum Teil auch durchstoßen haben. Möglicherweise wurden die Körper dort bestattet, nachdem der Friedhof bereits aufgegeben wurde. Neben den gut erhaltenen Knochen zeigten sich weitere spannende Details bei der Freilegung. Während alle anderen Gräber dem christlichen Brauch nach Ost-West ausgerichtet waren, lagen zwei der drei jüngeren Körper Nord-Süd und einer Süd-Nord ausgerichtet, allesamt in einer einzigen Grabgrube, teilweise lagen die Körper übereinandergelegt. Das deutete bereits an, dass es sich um keine reguläre Bestattung handeln kann. Im weiteren Verlauf der Freilegung bestätigte sich diese These. Es zeigte sich, dass die drei Körper in Bauchlage mehr oder weniger in die Grabgrube geworfen wurden. Es konnten auch keine Särge festgestellt werden, dafür aber Verfärbungen im Boden und Pflanzenfasern, die auf ein Tuch oder einen Sack schließen lassen, in das oder den die Verstorbenen eingewickelt waren. Neben diesen organischen Überresten konnte im Bereich des Oberschenkels eines Menschen eine Musketenkugel geborgen werden, die auf eine Schussverletzung hinweist. Zur Einordnung dieser irregulären Bestattung trägt ein weiteres Detail bei: Bei zwei Körpern scheinen die Hände auf dem Rücken und bei einem Körper auf dem Bauch zusammengebunden gewesen zu sein, darauf deutet die Position der Arme hin.
Fasst man alle diese Beobachtungen zusammen, muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Toten um Opfer eines Gewaltverbrechens oder einer Exekution handelt. Zeitlich eingegrenzt werden kann das Ereignis in das 19. Jahrhundert. Vorstellbar wäre ein Zusammenhang mit den Befreiungskriegen oder mit dem Aufruhr gegen die preußische Herrschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Deutungen allerdings spekulativ, weitere Analysen der Knochenreste können möglicherweise Klarheit bringen. Angedacht ist ebenfalls durch eine sogenannte Strontiumisotopenanalyse die genaue Herkunft der Bestatteten zu ermitteln. Der Weberplatz bleibt damit eine spannende archäologische Fläche und es bleibt abzuwarten, was er noch für weitere Geheimnisse preisgeben wird.
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