Ausbildung Weltweit - Bolivien

Ein Reisebericht von Anna Zierdt und Johanna Kuske (Auszubildende im Bereich Garten-/Landschaftsbau)

"Zu Beginn unserer Ausbildung 2022 hätte niemand von uns damit gerechnet, dass wir die einmalige Möglichkeit haben werden, durch das Programm von Ausbildung Weltweit, in ein so großartiges, vielfältiges und weit entferntes Land wie Bolivien, reisen zu dürfen.

Die Anfrage, ob wir an einer vierwöchigen Reise teilnehmen wollen würden, kam fast schon beiläufig zu unserem Alltag dazu. Wir überlegten nicht lange und sagten noch am selben Tag zu. Uns kam es vor, wie ein kurzer Wimpernschlag, als die Reise dann, nach vielen Anträgen, Unterschriften und Impfungen, dann auch schon los ging. Alles ging so schnell, dass wir es gar nicht recht realisieren konnten, wo es nun hin gehen würde, als wir in das Flugzeug stiegen. Zuvor haben wir, trotz kurzer Vorlaufzeit und langen Arbeitstagen, einen Sprachkurs belegt. Mit spärlichen Spanischkenntnissen aber großer Freude ging es dann los.

Nach einer zweitägigen Reise bis Bolivien, traten wir spät abends aus dem Flughafen in Cochabamba und wurden von einer winterlichen Frische überrascht. Obwohl wir wussten, dass es Winter sein würde, wenn wir ankommen, und mit Temperaturen zwischen -1°C und 30°C rechneten, mussten wir dennoch schmunzeln, als uns die Kälte überraschend traf. Die Sonne war schon hinter den riesigen Bergen, die uns umgaben, verschwunden, ein leuchtendes Orange flammte hinter den dunkeln Bergen hervor. Wir kamen aus dem ersten Staunen und der Vorfreude gar nicht heraus. Auch die Höhe von 2.500m hatte Auswirkungen auf unseren Körper. Unsere hart erarbeitete Stärke und Ausdauer durch unsere Landschaftsgärtnerei, hatte sich wie in Luft aufgelöst. Schon nach nur vier Treppenstufen blieb uns hörbar die Luft weg.

Wir wurden herzlich von einer unserer Ansprechpartnerinnen in Empfang genommen und auch das ganze Team begrüßte uns am darauffolgenden Tag mit vielen Begrüßungsküsschen. Ganz ungewohnt, wenn man doch nur ein kurzes „Moin“ oder „Mahlzeit“ von der Arbeit Zuhause gewohnt war. Wir stiegen gemeinsam auf das Dach unseres Büros, blickten auf die Lagune Alalay und sprachen über das Klima in Cochabamba und wie es sich über die Jahre hinweg verändert hat.

Bolivien, ein großes Binnenland, gegliedert in viele verschiedene Biotope. Im Norden der Regenwald, abgegrenzt durch die Berge und dem darauf liegenden Bergnebelwald. Die Bergkuppen gehüllt in Schnee und südlich des Landes erstrecken sich die verschiedensten Wüstenlandschaften. Die Vegetationen und Tiere wechseln sich im Kilometertakt ab und jedes Mal, wenn man denkt, es kann nicht noch schöner werden, wurde es noch schöner. Natürlich kannten wir Bilder von den Orten, wo wir hinreisen würden, dennoch standen wir oft dort und waren überwältigt. Die Eindrücke ließen sich kaum in Worte fassen – die Farben, die Weite und die Vielfalt Boliviens übertrafen all unsere Erwartungen.

Von Beginn an wurden wir vollkommen mit eingebunden und ernsthaft nach unserer Meinung gefragt. Wir hatten das Gefühl, Verantwortung übernehmen zu dürfen und konnten dann auch feststellen, dass wir dieser gewachsen waren. Wir haben regelrecht Feuer für die Projekte gefangen und haben uns nochmal ganz neu in die Natur verliebt. Durch die vielen Gespräche auf Augenhöhe sind wir in unserer gemeinsamen Arbeit gut vorangekommen. Jeden Tag lernten wir etwas Neues. Ganz persönlich für uns standen die vielen verschiedenen Pflanzenarten im Vordergrund. Jeden Tag nahmen wir uns die Zeit, die wir hatten, um die für uns neue Arten zu dokumentieren und zu verstehen. Für die verschiedenen Arbeiten dort, war das sogar notwendig.

So widmeten wir uns unter anderem der Aufforstung und Renaturierung der Laguna Alalay mit dem Ziel, die Nistflächen für verschiedene Vogelarten zu vergrößern und gleichzeitig ein Naherholungsgebiet für die Bevölkerung von Cochabamba zu schaffen. In den vergangenen Jahrzehnten war der See wiederholt von Eutrophierung betroffen, und auch heute noch werden regelmäßig erhebliche Mengen an Algen aus dem Gewässer entnommen. Zusätzlich wurden kleinere Inseln inmitten des Sees gebaut, um sowohl den ortsgebundenen Vögeln als auch Zugvögeln wie Flamingos einen Raum zu bieten. Die Inseln selbst aber auch rings um den See sollen Grünflächen entstehen mit verschiedenen Gräsern, Sträuchern aber auch vielen Bäumen. Der Boden ist in regnerischen Perioden durch den hohen Feinanteil des Sandes, sehr bindig und daher sehr schwer und wenig Sauerstoff durchlässig. Es besteht eine große Gefahr im Boden einzusinken. In den trockeneren Monaten ist der Boden bis in viele Meter Tiefe, wasserlos und bricht letztendlich auf. An anderen Stellen um den See ist der Boden sehr grob sandig mit vielen größeren Steinen. Einige wünschen sich eine sehr westlich orientierte Begrünung, mit großen grünen Rasenflächen und einigen Parkbäumen ringsum. Realistischer ist es jedoch, mit Stauden, Sträuchern und Bäumen zu arbeiten, die den hohen Salzgehalt filtern und lange mit der Trockenheit bestehen können. Gemeinsam überlegten wir auch in darauffolgenden Tagen und Wochen, wie eine Gestaltung aussehen könnte, die wenig pflegeintensiv, nachhaltig, aber auch attraktiv für Besucher ist.

Wir besuchten den Tunari Nationalpark auf 3.500 Metern Höhe und informierten uns über das Aufforstungsprogramm in Kooperation mit der Schweiz. Alte, knochige Bäume säumten die Hänge, dazwischen verschiedene Kakteenarten. Es war jedoch nicht einfach, Informationen über die Pflanzen zu finden – die meisten Quellen waren auf Spanisch oder gar nicht verfügbar. Neben den einheimischen Gewächsen sahen wir auch viele Pinien und Eukalyptusbäume. Die zunehmende Hitze zwingt die Menschen, widerstandsfähige Arten aus anderen Regionen zu pflanzen, was sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Seit April war kein Regen gefallen. Normalerweise wäre man auf den Schnee der Gletscher angewiesen, doch dieser wird immer seltener. Das Schmelzwasser würde die Berge hinabfließen und dabei im Boden gespeicherte Salze freisetzen. Die Trockenheit, die Höhenlage und der hohe Salzgehalt im Boden stellten erhebliche Herausforderungen dar, die wir für zukünftige Projekte im Hinterkopf behielten.

Man zeigte uns außerdem die unterirdischen Wasserkanäle in den Bergen, aus denen die Feuerwehr im Falle von Waldbränden Löschwasser entnehmen kann – Brände sind besonders in der Winterzeit häufig. Sobald ein Feuer ausbricht, rückt auch mal einer der Umweltminister aus, denn hier packt jeder mit an, der kann. Während unserer Reise wurden wir Zeugen mehrerer großer Brände. Es ist ein beklemmendes Gefühl, die Flammen auch aus großer Entfernung zu sehen.

Ein gemeinsames Projekt mit Schülern an der Friedrich Fröbel Schule bot uns die Gelegenheit, unser Wissen weiterzugeben und gemeinsam entwarfen wir einen vertikalen Obst-/ und Gemüsegarten. Dazu kamen einige Entwürfe für grüne Inseln rund um das Schulgebäude. Auch an der Universität (La Escuela de Ciencias Forestales ESFOR – San Simón) erhielten wir wertvolle Einblicke in verschiedene Umweltprojekte und wir durften uns sogar die In Vitro Kulturen im Labor ansehen. Der tägliche Austausch war intensiv und beide Seiten zeigten großes Interesse daran, tiefer in die Projekte und Aufgaben einzutauchen.

Selbst per Videocall in die Heimat versuchten wir, verschiedene Motorsägen wieder in Betrieb zu nehmen, zum Erstaunen der Männer vor Ort. Darüber hinaus halfen wir bei Schnittmaßnahmen an Stadtbäumen und waren auch an der Anzucht neuer Jungbäume beteiligt. Trotz der großen Sprachbarriere konnten wir uns immer gut mit den Mitarbeitenden verständigen, auch wenn einige Gespräche etwas mehr Zeit in Anspruch nahmen.

Wir haben weit mehr Orte und Projekte besucht, als beschrieben. Unter anderem den alten Botanischen Garten und auch touristische Orte durften nicht fehlen. Eines unserer touristischen Ausflüge ging in die größte Salzwüste der Welt.

Nach drei Wochen Arbeit, nahmen wir uns die vierte Woche für unseren Urlaub frei. Per Nachtbus reisten wir nach Uyuni. Hier überraschte uns die Kälte ein weiteres Mal. Wir nahmen es aber wieder mit Humor, kauften einen weiteren Pullover und zusätzlich Socken, vorausgedacht, denn eine der folgenden Nächte bot uns -15°C. Drei Tage fuhren wir mit einem Jeep durch verschiedene Wüstenlandschaften, auf bis zu 5.000 Höhenmetern. Feuerrote Berge, Vulkane, blaue und rote Lagunen mit Flamingos, unter einem klaren Sternenhimmel saßen wir in den heißen Quellen und natürlich besuchten wir die größte Salzwüste der Welt.

In einem weit entfernten Land, ein Stück Heimat zu finden, ist ein wunderbares Gefühl. Man öffnet morgens die Tür und alles ist anders und dennoch empfindet man ein beruhigendes Gefühl von Vertrautheit. Die Luft, der Gesang der Vögel, die Gespräche der Menschen, selbst die Farbe des Himmels - Ein wunderbares Abenteuer. Man taucht in eine fremde Welt ein, die schließlich zu einem Teil des eigenen Lebens wird. Kontakte und Freundschaften mögen einem an manchen Tagen ein schweres Gefühl von Fernweh mitgeben, aber man erinnert sich auch daran, dass man ein zweites Zuhause gefunden hat.

Eine Reise auf einen anderen Kontinent, ist eine Erfahrung, die ein Leben lang lebhaft im Gedächtnis bleiben wird. All die Aufgaben und Herausforderungen lassen einen über sich selbst hinauswachsen. Man lernt neue, kreative Herangehensweisen und entwickelt eine angenehme Leichtigkeit. Diese neue gewonnene Stärke und das damit einhergehende Selbstbewusstsein begleitet einen auch zurück nach Hause.

Durch die liebevolle Unterstützung von den Helfenden aus Deutschland und der herzlichen Aufnahme in Cochabamba, hatten wir eine wundervolle Zeit. Dafür möchten wir uns bei allen aufrichtig bedanken."

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