AUSGANGSSITUATION (vor dem Umbau)Die vom Architekten Dennis Boniver entworfene und 1957-59 errichtete "Neue Pauluskirche" in Essen-Huttrop ist ein herausragendes Beispiel für die Kirchenbaukunst der Nachkriegszeit.
Konzipiert ist der Baukörper der Kirche - auf rechteckigem Grundriss - als hoch aufragender, massiver Baublock parallel und leicht zurückgesetzt zur Steeler Straße. Das Gebäude verfügt über ein Flachdach, auf der Westseite der Kirche ragt ein Turm als Glockenträger in die Luft. Die Grundstruktur der Kirche ist konsequent gerastert.
Bewusst als Schutzschild gegen den Lärm des Großstadtverkehrs konzipiert, zeigten die Fassaden zur Steeler Straße wie auch zur seitlichen Knaudtstraße wenige Öffnungen. Nur eine zum Altar angeordnete Taufkapelle mit Halbrundapsis durchbrach das strenge Bild der Bruchsteinfassade nach Süden.
Die Fassaden sind durchgehend mit Bruchsteinmauerwerk verblendet, was die Massivität des damals als Bollwerk konzipierten Baus unterstrich. Die gerasterte Struktur der Betonfertigteil-Elemente der Nordfassade wurden insgesamt als große Belichtungsfläche entwickelt, ohne dass es zu direkter Sonneneinstrahlung kommen sollte.
Das Innere der Kirche wurde von der Altargestaltung mit dem dahinter liegenden vierteiligen Ostfenster dominiert, das in das Raster der sichtbaren Betonstützen integriert war. Das von Gottfried von Stockhausen gestaltete Ostfenster ist in vier Teile und ein Rundfenster aufgeteilt. Es wurde in die Betonkonstruktion des Kirchbaus eingepasst.
Das Kreuzfenster in der Taufkapelle wurde von dem holländischen Maler Henk Schilling entworfen.
Die Innenseiten der Außenwände waren mit Ziegelmauerwerk verkleidet und durch ein Raster strukturiert. Dieser Aufbau sollte unter anderem der Schallabsorption dienen. Die Gesamtgestaltung des Innenraumes war durch eine zurückhaltende Farbgestaltung geprägt.
Im nord-östlichen Bereich des Kirchenbaukörpers wurde in einem späteren Bauabschnitt ein Gemeindesaal mit Nebenräumen, Küche, WC, sowie ein Bürotrakt und ein Jugendhaus angegliedert. An die kriegszerstörte Pauluskirche erinnerte ein auf der Kuppel des Gemeindezentrums angebrachter Gausenengel der Pauluskirche.
Der besonderen Bedeutung der Architektur des Gebäudes wurde dadurch Ausdruck verliehen, dass die Kirche im September 2007 als Baudenkmal in die Liste der Stadt Essen aufgenommen wurde.
Die "Neue Pauluskirche" wurde seit Ende 2007 als profanisiertes Gebäude mit einem erheblichen Sanierungsbedarf nicht mehr für Gemeindezwecke genutzt und stand leer.
Mehrere Wasserschäden an der Kassettendecke sowie zahlreichen Schäden an den Sichtbeton-Elementen und den Bruchsteinfassaden deuteten auf einen erheblichen Sanierungsbedarf hin.
Die Orgel war zwischenzeitlich demontiert und anderweitig wiederverwendet.
DIE NEUE NUTZUNG UND DAS ARCHITEKTONISCHE KONZEPT VON ZWO+ ARCHITEKTEN aus Bochum
Die Adolphi-Stiftung erwarb das Grundstück der "Neuen Pauluskirche" mit dem aufstehenden Kirchenbaukörper, dem Gemeindezentrum, dem Pfarrhaus und einem Zweifamilienhaus im Jahr 2011.
Nach Untersuchung verschiedener Umnutzungskonzepte erlangte die Kirche so Ihre letztendliche jetzige Nutzung als Altenpflegeeinrichtung mit 99 Bewohnerzimmern.
Der unter Denkmalschutz stehende kubische Kirchenbaukörper konnte in seiner Grundstruktur erhalten bleiben und zeigt sich zur Straßenecke Steeler Straße und Knaudtstraße mit neuem Gesicht. Die Anbauten sowie eines der beiden Wohnhäuser wurden abgebrochen.
Die neue Altenpflegeeinrichtung mit 99 Bewohnerapartments ist als U-förmige, 4-geschossige Anlage konzipiert. Der Haupteingang in die neue Einrichtung ist barrierefrei von Norden über einen zentralen Eingangsbereich. Zwei neue Gebäudeflügel durchdringen optisch die vorhandene Nordfassade. Diese nehmen einen großen Teil der Bewohnerapartments auf. Weitere Apartments befinden sich im ehemaligen Kirchenschiff. Zur notwendigen Belichtung wurden die vorhandenen, sehr geschlossenen Fassaden mit neuen Öffnungen versehen, die die vorhandene Architektursprache respektieren und weiterführen. Die Gliederung der Fenster erfolgt über neu gestaltete Rahmen aus Sichtbeton, die an die ursprüngliche Architektursprache angepasst sind.
Im Kirchenschiff gliedern sich nun zwei besondere Bereiche, die mit ihrer Zweigeschossigkeit an das ehemalige Volumen des Kirchbaukörpers erinnern sollen. Das Paulus-Café ist dem Foyer zugeordnet. Die ehemalige Taufkapelle mit Ihrer Betonflugdachkonstruktion befindet sich in diesem Café.
Der "von-Stockhausen-Saal" befindet sich im 2. Obergeschoss und beherbergt das für den Kirchbau prägende "von-Stockhausen-Fenster". In diesem Veranstaltungssaal sind die Gestaltungselemente des Innenraumes der Kirche beibehalten. Besonders zu nennen sind die Ziegelfassade, die Betonrasterdecke mit Holzkassettenfüllung, die für den Kirchraum gestalteten Leuchten und natürlich das Ostfenster. Hier werden weiterhin Gottesdienste und Veranstaltungen für die Bewohner durchgeführt.
Acht Wohnbereiche verteilen sich auf die vier Wohngeschosse. Die 99 Wohnapartments befinden sich verteilt auf diese Bereiche. Jeder Bereich verfügt über eine Küche, einen Essbereich und eine Wohnecke.
Hinter der denkmalgeschützten Nordfassade wurde ein Atrium erbaut in das die Terrassen der Bewohner eingebaut wurden. Die Betonwaben der Fassade verleihen den Räumen und Terrassen eine besondere Atmosphäre.
Bei der Innenraumgestaltung wurden die Farben des Kirchraumes wieder aufgenommen. Retromöbel erinnern an das Design aus der Entstehungszeit der Kirche.
Im Kellergeschoss befinden sich die Anlieferung, die Verteilerküche und die Wäscherei.
Auf dem Grundstück konnte das östlich der Kirche gelegene ehemalige Pfarrhaus erhalten bleiben. Hier wurden zwei Wohneinheiten eingerichtet, diese dienen der Unterbringung von zwei Tagesmüttern mit jeweils 5 Kindern. Der Garten des Pfarrhauses wurde als Spielbereich für die Kinder umgestaltet.
Ein weiterer viergeschossiger Baukörper mit 26 Wohneinheiten für betreutes Wohnen konnte auf dem nord-östlichen Grundstücksteil der "Neuen Pauluskirche" entstehen. Das Wohngebäude ist unterirdisch mit der Altenpflegeeinrichtung verbunden. Die Bewohner des Hauses können die Mahlzeiten sowie die Gottesdienste und Veranstaltungen der Pflegeeinrichtung nutzen.
Peter Lammsfuß, Dipl. Ing. Architekt, Geschäftsführer
Diese Umnutzung eines Nachkriegs-Sakralbaus in eine Einrichtung der Altenpflege erscheint als gelungenes Beispiel einer gesellschaftlich sinnvollen Neunutzung eines denkmalwürdigen Baukörpers.
Das Gelingen dieser denkmalgerechten Umgestaltung des Baudenkmals "Neue Pauluskirche" erfolgte in einem Prozess, an dem alle Beteiligten großes Engagement, ein hohes Maß an Professionalität und Kreativität einbrachten.
Andrea Richter