Nach dem Ende der letzten Eiszeit herrscht in unserer Region ein gemäßigtes atlantisch geprägtes Klima. Dementsprechend erobert der Wald die Region gänzlich zurück. Die Ruhr fließt frei und gemächlich in ihrem unbefestigten Bett. Aus den Hügeln nördlich der Ruhr bahnt sich die Berne mit ihren Nebenbächen den Weg durch die Wälder, die heute den Betonmassen der Innenstadt gewichen sind, bis hoch in die Sumpfwälder des Emscherbruches. In dem Labyrinth von kleinen Zuflüssen und den zahlreichen Nebenarmen der Emscher behalten nur die Wildpferde die Übersicht. Die wenigen Menschen dieser Zeit leben zerstreut in Großfamilien und ernähren sich von der Jagd, dem Sammeln von Waldfrüchten und einer bescheidenen Viehzucht.
Durch die Überlegenheit der antiken gegenüber der indogermanischen Kultur tritt vor 2.000 Jahren der Ackerbau seinen Siegeszug auch in Essen an. Vor allem auf den für die Landwirtschaft günstigen lößüberlagerten ebenen bis mäßig geneigten Standorten wird der Wald gerodet und Feldfrüchte werden angebaut. Trotz zahlreicher Hungersnöte und Epidemien wächst die Bevölkerung rasch an und es entstehen die Macht- und Handelszentren der Kirche und des Adels mit den angesiedelten Bauernschaften in ihrem Schutz.
Anfang des 19. Jahrhunderts rücken die tief unter unserer Stadt vor Millionen von Jahren aus Urwäldern entstandenen Fettkohlevorkommen ins Auge der Industriepioniere. Mit der technischen Lösung zur Erschließung des schwarzen Goldes unterhalb der wasserdichten Mergelschichten beginnt die letzte Phase der Waldvernichtung in Essen. Die Montanindustrie benötigte riesige Flächen für die Industrieanlagen, Wohnsiedlungen sowie das dichteste Straßen- und Eisenbahnnetz der Welt. Die Sumpfwälder im Emscherbruch werden entwässert. Die Emscher mit ihren zahlreichen Zuflüssen wird zum Abwasserkanal degradiert, welcher parallel zum neugebauten Rhein-Herne-Kanal verläuft. Die Bilanz am Ende der Ära der Montanindustrie ist vernichtend, auch wenn bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts begonnen wurde, ehemalige landwirtschaftliche Flächen im Essener Süden (z.B. Heissiwald) und in den fünfziger Jahren zahlreiche Bergehalden und Bahndämme aufzuforsten.
Erst mit dem Strukturwandel und der Etablierung der parteiübergreifenden Ökologiebewegung erhält der verbliebene Wald und die Schaffung neuer Waldflächen zum Zwecke der wohnraumnahen Erholung, des Biotopschutzes und zur Biotopvernetzung mit dem Waldentwicklungsprogramm Essener Norden 1988 einen neuen Anwalt. Mit dem Ratsbeschluss soll die verbliebene Waldfläche im Norden von rund 380 ha auf 750 ha nahezu verdoppelt werden. Die effiziente Umsetzung des Programmes erfordert höchste Energie und läuft äußerst schleppend, da sich mögliche Neuaufforstungen gegen andere städtebaulichen Interessen durchsetzen müssen.
Heute wissen wir, dass die Erhaltung und Förderung der natürlichen Ressourcen, insbesondere des Waldes im Essener Norden, nicht nur ökologisch zwingend erforderlich ist, sondern auch im Hinblick auf die Lebensqualität in den Wohnbereichen und die Ansiedlung neuer Betriebe zur Schaffung neuer Arbeitsplätze unverzichtbar ist. In den vergangenen zwanzig Jahren wurden deshalb rund 250 ha Wald im Essener Norden aufgeforstet. Naturnah durch die Forstverwaltung gepflegt und entwickelt, werden die ca. 2.500.000 gepflanzten und natürlich angesamten Bäume und Sträucher in 100 Jahren ähnliche Bedeutung für die Erholung unserer Kindeskinder, den Naturschutz und nicht zuletzt zur Lieferung des nachhaltig produzierten Rohstoffes Holz erlangen wie die alten Wälder im Essener Süden.