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Stadtverwaltung
08.05.2024
6 Min

Schulsozialarbeit als Brückenbau

Angebote für Schülerinnen*Schüler, Eltern und Lehrende


Einen großen Teil ihrer Zeit verbringen Kinder in der Schule. Dort wird ihnen ein breitgefächertes Wissen vermittelt, das die Basis für ihre spätere Zukunft legt. Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Sport und mehr stehen dabei auf dem Programm. Doch die Bildungseinrichtung ist zugleich ein Ort des gesellschaftlichen Miteinanders, wo neben Lern- auch Sozialkompetenzen im Fokus stehen. Deshalb gibt es an vielen Schulen neben dem Lehrpersonal auch Schulsozialarbeiter*innen, die aufgrund ihrer Ausbildung und Methoden einen anderen Blickwinkel auf die Themen und Bedürfnisse von Schülerinnen*Schülern haben. Als institutionell unabhängige und neutrale Vertrauenspersonen stehen sie in Nordrhein-Westfalen bereits seit 1969 insbesondere den Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern und dem Lehrerkollegium im Schulalltag zur Seite und können auf ihre individuellen Anliegen und Probleme eingehen.

Offenes Ohr für Schüler*innen

Schulsozialarbeiter*innen helfen beispielsweise weiter, wenn das Klima in der Klasse schlecht ist, Schüler*innen gemobbt werden, es Konflikte in der Schule oder Probleme in der Familie gibt. Sie sind ebenso für die Heranwachsenden da, wenn sie jemanden zum Zuhören brauchen, etwa weil sie Liebeskummer haben, wenn sie sich Sorgen machen, unverstanden fühlen oder es einfach schwer in der Schule haben. Sie sind genau die richtigen Ansprechpersonen, wenn Schüler*innen Hilfe und Beratung benötigen.

Das Angebot ist dabei persönlich und absolut vertraulich, denn die Fachkräfte unterliegen der Schweigepflicht. Zudem vergeben die Schulsozialarbeiter*innen keine Noten, denn sie sind keine Lehrkräfte, sondern ergänzen diese mit ihrer Tätigkeit. Neben individuellen Gesprächen arbeiten die Fachleute auch mit kleinen Gruppen oder ganzen Klassen. Auf diese Weise sollen die Kinder und Jugendlichen im Austausch miteinander lernen, ihr Verhalten zu reflektieren, Ideen zu entwickeln und Probleme selbständig zu lösen.

Unterstützung für Eltern

Auch Eltern profitieren von der Schulsozialarbeit, denn das Personal berät und unterstützt sie auf Wunsch bei schulischen Konflikten ihres Kindes ebenso wie bei familiär oder persönlich schwierigen Lebenslagen. Außerdem sind Schulsozialarbeiter*innen in der Stadt gut vernetzt und vermitteln Hilfsangebote und geeignete Beratungsstellen und können zudem über die Beantragung von finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten informieren.

Sie fungieren darüber hinaus als Vermittler*innen bei Konflikten zwischen Lehrenden und Eltern, beispielsweise im Fall unterschiedlicher Vorstellungen von der Erziehung, für welche sie auch mit hilfreichen Ratschlägen zur Seite stehen. Neben individuellen Angeboten können Schulsozialarbeiter*innen aber auch Elternabende zu bestimmten Themen wie Drogen, Medienkonsum oder Sexualität organisieren und bieten Müttern*Vätern damit im Austausch mit anderen Orientierung und Hilfestellung.

Ansprechpartner*innen für Lehrende

Lehrer*innen erhalten gleichermaßen Unterstützung durch die Mitarbeitenden der Schulsozialarbeit. Bei Bedarf können sie mit ihnen gemeinsame Strategien für die Bewältigung von Problemen im pädagogischen Alltag erarbeiten. Dabei profitieren die Schulsozialarbeiter*innen davon, dass sie intensiv in den Schulalltag eingebunden sind und mit ihrer speziellen Herangehensweise neue Perspektiven eröffnen können, die zum gegenseitigen Verständnis beitragen. So dienen Schulsozialarbeiter*innen als Bindeglied in der Verzahnung von Unterrichts- und Sozialpädagogik.

Sie werden aber nicht erst aktiv, wenn es zu einer Schieflage kommt, sondern leisten wichtige Präventionsarbeit, um zu verhindern, dass es überhaupt erst soweit kommen kann. Ihre Aktivitäten stärken Kinder in ihrer Persönlichkeit, tragen zur Reduzierung von Gewalt bei und helfen, Schulbummelei und Schulverweigerung abzuwenden. So tragen beispielsweise Sozialtrainings in Kleingruppen oder thematische Projekttage zur Entwicklung der sozialen Kompetenzen der Schülerschaft bei und fördern ein friedliches Miteinander in der Schule. Damit können sich die Kinder und Jugendlichen auch besser auf den Unterricht konzentrieren, sodass in der Folge eine bessere Ausbildung inklusive besserer Voraussetzungen für den späteren Berufseinstieg gewährleistet werden kann.

Überblick über die Sozialarbeit an Essener Schulen

Schulsozialarbeit in Essen

Als sozialpädagogisches Angebot der Jugendhilfe nach §13a SGB VIII öffnet die Schulsozialarbeit für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern Zugänge zum Leistungsangebot der Jugendhilfe. Auch in Essen sind an vielen Grund- und weiterführenden Schulen Schulsozialarbeiter*innen in öffentlicher und freier Trägerschaft sowie im Landesdienst tätig.

Das Ministerium für Schule und Bildung hat die Landesförderung für Schulsozialarbeit bis zum Jahr 2025 beschlossen. Der Fachbereich Schule der Stadtverwaltung übernimmt dabei in Essen die Projektverantwortung und sichert die Finanzierung von 49 Stellen für Schulsozialarbeit an den Schulen, wobei 16 von ihnen in kommunaler Trägerschaft angesiedelt sind. Derzeit ist die kommunal getragene Schulsozialarbeit an sechs Grundschulen, zwei Real- sowie zwei Gesamtschulen und an zwei Berufskollegs eingesetzt.

Mehr über Schulsozialarbeit in Essen und ihre Einsatzorte erfahren

Mehr Kinder kommen unregelmäßig zur Schule

Ein Problem, mit dem Schulsozialarbeiter*innen in ihrem Berufsalltag immer wieder konfrontiert sind, ist, wenn die die Lern- und Leistungsbereitschaft von Kindern beeinträchtigt ist und sie schulvermeidendes Verhalten zeigen. So ist etwa die Anzahl von Schüler*innen, die nicht regelmäßig zur Schule kommen, in den vergangenen Jahren gestiegen. "Das betrifft Kinder und Jugendliche aus allen Schulformen und gesellschaftlichen Schichten", sagen Tatjana Wassermann und Helmut Oppenberg. Beide arbeiten in der städtischen Schulsozialarbeit. Sie ist an einer Grundschule tätig, er an einem Berufskolleg. Die Zeiten, in denen beispielweise überwiegend Jungen dem Unterricht fernblieben, seien längst vorbei.

Unterschiedlichste Gründe führen zum Fernbleiben von der Schule

Die Gründe, die Schule zu meiden, sind vielfältig. Das können überzogene Leistungserwartungen von Eltern oder Lehrpersonen an das Kind in Verbindung mit geringer Einfühlung in den Stress sein, den das Kind aufgrund der (schulischen) Anforderungen erlebt. Angststörungen oder soziale Phobien, die ihre Ursache in der Entwicklungsphase der Heranwachsenden haben, können das schulvermeidende Verhalten verstärken. Aber auch Angst vor Lehrenden, Schülerinnen*Schülern, Mobbing und Bloßstellung führen zum Fernbleiben. "Und natürlich spielt die Situation in den Familien eine Rolle", erzählt Tatjana Wassermann. "Es kommt vor, dass neunjährige Kinder als Grund für ihr Fehlen angeben, sie müssten auf die kleineren Geschwister aufpassen. Die Kinder übernehmen dann oft die Verantwortung für den Haushalt, oder müssen die Eltern zu Behördengängen begleiten, um dort zu übersetzen."

Unkontrollierte Medienkonsum ist problematisch

Auf der anderen Seite stünden die übervorsorglichen Eltern, die ihren Kindern alles abnehmen. Diese Kinder würden nicht lernen, sich zu organisieren. "Und natürlich ahmen Kinder das Verhalten der Eltern nach. Familien, in denen übertriebener Medienkonsum und fehlende Tages- oder Organisationsstruktur Normalität sind, bieten den meisten Heranwachsenden nur unzureichende Orientierungsmöglichkeiten." Der hohe Medienkonsum führe zu einer abnehmenden Aufmerksamkeitsspanne. Viele Eltern grenzten den Medienkonsum nicht ein. "Sie wissen oft gar nicht, was ihre Kinder, beispielsweise auf YouTube, ansehen oder hochladen und damit öffentlich machen."

Mobbing via Smartphone sei auch in der Grundschule ein Thema. "Es gibt zum Beispiel Klassenchats in denen gefragt wird, wer alles ‘Sarah’ blöd findet und schnell wird diese Frage kommentiert oder es wird sich dort über andere Kinder lustig gemacht. Im Gegensatz zu früher bekommt diese mediale Form des Mobbings eine zusätzliche Dynamik, die sich eben nicht nur auf die Schulzeit bezieht, sondern darüber hinaus auch in den Privat- und Freizeitbereich übergeht."

Schulvermeidung auch am Berufskolleg

"In meinen Beratungsgesprächen werden die verschiedensten Themen besprochen. Häufig sind es tiefgreifende psychosoziale Probleme mit den unterschiedlichsten Ursachen und in unterschiedlicher Ausprägung, die dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht oder nur selten zur Schule kommen", erklärt Helmut Oppenberg. Aber es gibt natürlich auch andere Faktoren. Schulvermeidendes Verhalten führe an den Berufskollegs dazu, dass die meist erwachsenen Schüler*innen und am Ende ihren Abschluss nicht erhalten und ein Jahr wiederholen oder abbrechen müssen. "In den dualen Ausbildungsklassen des Handwerks starten zu Beginn rund 30 Schüler*innen und Schüler – am Ende der Ausbildung sind es noch 17. Interessant dabei ist, dass die Auszubildenden in den Betrieben oft gut zurechtkommen und auf den Baustellen ihre Leistung zeigen können."

Erschwerend komme eine falsche oder unrealistische Vorstellung von der Arbeitswelt hinzu. Gerade der Übergang von Schule zu Beruf ist für viele eine echte Herausforderung. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft sind die Voraussetzungen, die Auszubildende mitbringen müssen. Die Leistungserwartungen der Betriebe, der Schule und des familiären Umfeldes setze die jungen Menschen immer häufiger so unter Druck, dass sie dem nicht standhalten können. Die Gründe für Schulabstinenz herauszufinden sei schwierig und der Weg zurück langwierig. Es gehe immer um Unterstützung der persönlichen und sozialen Entwicklung sowie um Beratung im Lebensraum Schule. "Um beispielsweise angemessen auf Schulabesentismus reagieren zu können, müsse sich auch die Schule verändern und mehr Raum für soziales Lernen bieten. Vor allem das Problem des fehlenden Personals auf Seiten der Lehrenden und der Sozialarbeitenden lässt die Entwicklung von Unterstützungsmöglichkeiten und pädagogischen Handlungsalternativen zu einer großen Herausforderung werden."

Essener Leitfaden zum Umgang mit schulvermeidendem Verhalten

Je früher Schulvermeidung zum Thema wird, umso leichter ist es, etwas zu bewirken. Um Schulen als auch Schulsozialarbeiter*innen in Hinblick auf den Umgang mit Schulvermeidung zu unterstützen, gibt es einen Essener Leitfaden zu diesem Thema. Die pädagogischen Fachkräfte erhalten damit einen Überblick über die wichtigsten Aspekte und Handlungsschritte eines erfolgreichen schulinternen Umgangs mit der Problematik und finden darin Ansprech- und Unterstützungspartner*innen. Außerdem erhalten sie Materialvorlagen für ihre Dokumentation, ergänzt mit konkreten Tipps.

Hier mehr über den Leitfaden erfahren


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