Dieser Essener Standard wurde am 12.09.2013 von den Leitungen aller Essener Krankenhäusern unterzeichnet.
Die zunehmende Anzahl älterer Patientinnen und Patienten erfordert es, dass sich alle Essener Krankenhäuser auf die Situation und Bedarfe dieser Bevölkerungsgruppe einstellen. Anders als bei jungen Patienten ist ihr Gesundheitszustand häufig ein labiles Gleichgewicht, das im Alltag innerhalb vertrauter Abläufe gut gehalten werden kann aber bei beunruhigenden Veränderungen wie einem Krankenhausaufenthalt mit unklaren Abläufen und komplexen Strukturen schnell verloren geht. Es besteht die Gefahr, dass ältere Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen unter den Bedingungen des Krankenhausalltags in einen akuten Verwirrtheitszustand (Delir) geraten. Besondere Aufmerksamkeit benötigen Menschen mit dementiellen chronischen Erkrankungen/Verwirrtheitszuständen während eines Krankenhausaufenthaltes. Ohne gezielte Maßnahmen besteht die Gefahr, dass sich die Verweildauer im Krankenhaus erhöht, sich die Lebensqualität hochbetagter Menschen trotz medizinischer Erfolge durch den Krankenhausaufenthalt dauerhaft verschlechtert und vermeidbare Belastungen für Mitpatienten und -patientinnen und Krankenhausmitarbeiter/innen entstehen. Ziel ist es, in allen Essener Krankenhäusern akute Verwirrtheitszustände zu vermeiden und Menschen mit Demenz oder Delir angemessen zu behandeln und zu pflegen.
Im Sinne eines Essener Standards vereinbaren sich die Essener Krankenhäuser auf folgende Eckpunkte:
1. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schulen
Mitarbeiter/innen erwerben in Fortbildungen Wissen und Kompetenz zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen mit akuter und chronischer Verwirrtheit. Interdisziplinäre Fallbesprechungen mit Ethikmoderation sollen in Einzelfällen eine Entscheidungshilfe bieten.
2. gefährdete Patientinnen und Patienten erkennen
Patientinnen und Patienten mit kognitiven Einschränkungen werden bereits bei der Aufnahme erkannt, um Gefährdungen zu vermeiden. Checklisten mit wenigen Fragen geben bei Patienten und Patientinnen über 75 Jahren Anhaltspunkte für Gefährdungen und für die Notwendigkeit erhöhter Aufmerksamkeit aller Beteiligten.
3. Orientierungshilfen geben – Geborgenheit vermitteln
Durch geeignete und gezielte Maßnahmen werden Risiken vermieden und Gefährdungen reduziert. Dies sind vor allem: Orientierungshilfen und Schutz in der räumlichen Umgebung,
Begleitung zu Untersuchungen und Therapien um Orientierung zu geben, und um Wartezeiten und Zeiten ohne Nahrung zu vermeiden, Alltagsstrukturierung und –begleitung, Beschäftigungsangebote, um einen kognitiven Abfall während des Aufenthaltes zu vermeiden.
4. Medikamente überprüfen und angepasst einsetzen
Medikamente werden überprüft. Der Apotheker/die Apothekerin wird beratend hinzugezogen. Der Medikamenteneinsatz vor allem bei Operationen wird angepasst, die Negativliste nicht angezeigter Medikamente beachtet. Insbesondere soll nach Möglichkeit auf Benzodiazepine verzichtet werden.
5. Angehörige einbeziehen und unterstützen
Angehörige werden umfassend einbezogen und unterstützt. Ihre Informationen sind für die Behandlung und Pflege unverzichtbar. Rooming-in-Möglichkeiten werden geprüft. Kurse für pflegende Angehörige werden angeboten.
6. interdisziplinär zusammenarbeiten
Zur geeigneten Versorgung tragen alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Krankenhauses bei. Interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Krankenhauses aber auch mit vor- und nachversorgenden Stellen (Patientenüberleitung) ist notwendig. Die Leitung des Krankenhauses überprüft regelmäßig die Angemessenheit von Krankenhausstrukturen, räumlichen Gegebenheiten und Prozessabläufen.