Zollverein - Verwaltungsgebäude RAG-Stiftung und RAG AG
Architektur: kadawittfeldarchitektur, Aachen
Bauherrschaft: RAG-Stiftung, Essen
Erstmals lobten die Stadt Essen und der Bund Deutscher Architekten BDA Essen gemeinsam den Architekturpreis Essen 2020 aus. Gesucht wurden die besten Bauten auf Essener Stadtgebiet der letzten fünf Jahre. Prämiert werden beispielhafte Lösungen von Bauaufgaben mit Mitteln zeitgenössischer Architektur, die sich nicht nur durch ästhetische, sondern auch durch ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit auszeichnen.
32 eingereichte Projekte standen zur Wahl. Zur Bewerbung zugelassen waren alle Bauten, die nach dem 16. Oktober 2015 fertig gestellt wurden und sich im Gebiet der Stadt Essen befinden.
Stimmberechtigte Mitglieder der Jury waren
Corona-Pandemiebedingt fand die Sitzung der Jury unter Vorsitz von Herrn Prof. Kunibert Wachten am 27. Januar 2021 digital statt.
Im Rahmen des Architekturpreises Essen 2020 vergibt die Jury zwei Auszeichnungen und vier Anerkennungen:
Das 2017 fertiggestellte gemeinsame Verwaltungsgebäude von RAG-Stiftung und RAG AG kann in mehrfacher Hinsicht als Statement für einen nachhaltigen, zukunftsorientierten Umgang mit der Tradition, mit den Ressourcen des Bauens und den klimabedingten Herausforderungen interpretiert werden.
In städtebaulicher Hinsicht überzeugt die Wahl des Standortes im Welterbe Zollverein als Bekenntnis zur denkmalgeschützten Historie und zur montanindustriellen Tradition des Ruhrgebiets. Vor dem einzigartigen Panorama der Kokerei schließt der flache, winkelförmige Baukörper das Zechenareal nach Südwesten ab und respektiert die Dominanz der Zechenarchitektur, ohne sich gestalterisch unterzuordnen. Die Farbigkeit der Aluminiumfassade adaptiert das Farbspektrum der historischen Zechenarchitektur in zeitgenössischer Weise.
Die sich in Form eines begehbaren Dachgartens manifestierende Idee einer Durchdringung von Hochbau und Landschaftsarchitektur wird als interessanter Beitrag für eine Weiterentwicklung des Welterbes gewertet. Dabei sollte die intendierte, aber zur Zeit ausgesetzte Zugänglichkeit des Dachgartens für die Öffentlichkeit – über eine großzügige Freitreppe an der Eingangsseite architektonisch in Szene gesetzt – auf lange Sicht wieder ermöglicht werden.
Imponierend ist die sorgfältige konzeptionelle Ausarbeitung des Gebäudes hinsichtlich der Aspekte Nachhaltigkeit, Umwelt und Klima. Die DGNB-Zertifizierung in Platin, die Realisierung des Cradle-to-Cradle-Prinzips, die Funktion als Rohstoffdepot im Sinne des EU-Forschungsprojekts „Buildings as Material Banks“ sind State of the Art und qualifizieren das Gebäude als vorbildlichen Beitrag für die Zukunft des Bauens, der eine Auszeichnung des Architekturpreises Essen 2020 erhält.
Mit dem Gemeindezentrum im Essener Norden ist den Verfassern ein architektonisches Kleinod geglückt, das wie selbstverständlich in den heterogen geprägten umgebenden Stadtraum eingepasst ist und mit der einladenden Geste eines zur Kirche ausgerichteten Eingangshofs einen gelungenen Beitrag zur Quartiersstärkung bildet. Das zum dreiseitig gefassten Innenhof geneigte Dach stellt eine sehr elegante Lösung dar, die im Raumprogramm geforderten unterschiedlichen Raumhöhen zu verwirklichen. Das eingeschossige Gemeindezentrum fügt sich in seiner Anmutung bescheiden, ohne jedes Imponiergehabe in den Stadtteil ein und darf insofern auch als Beitrag für soziale Nachhaltigkeit in einem schwierigen Stadtteil gelten. Es überzeugt darüber hinaus in seiner architektonischen Detaillierung, ortstypischen Materialität und klaren innenräumlichen Ordnung. Das Gemeindezentrum Altenessen-Karnap erhält eine Auszeichnung des Architekturpreises Essen 2020 als Beleg dafür, dass hochwertige Architektur auch im kleinen Maßstab einen wertvollen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten kann.
Nachhaltiges Bauen kann bedeuten, auch vorhandene bauliche Ressourcen zu nutzen: Die Entwurfsverfasser der Apartments für Studierende im Essener Universitätsviertel haben ein ehemaliges Gemeindehaus entkernt, eine zusätzliche Geschossdecke eingezogen und ein Staffelgeschoss aufgesetzt. Durch die Verlagerung der Erschließung nach außen kann die gesamte Fläche des nunmehr hochwärmegedämmten ehemaligen Gemeindehauses für kleine Apartments genutzt werden. Insgesamt wurde die Nutzfläche mehr als verdoppelt. Auch weitere Aspekte des KfW55-Hauses überzeugen, nicht zuletzt bilden die der Erschließung vorgesetzten Holzlamellen ein charakteristisches Erscheinungsbild aus. Für ihren Beitrag zu einem nachhaltigen studentischen Wohnen erhalten die Apartments für Studierende eine Anerkennung des Architekturpreises Essen 2020.
Das neue, vollständig verglaste Foyergebäude der Messe Essen bildet den gelungenen Auftakt für die nach und nach erfolgende Neustrukturierung der Messe Essen mit räumlich wie technisch zeitgemäßen Ausstellungshallen. Es legt sich wie ein Mantel zweiseitig um eine bestehende Halle und verzahnt sich über ein ausladendes Flugdach mit dem Stadtraum. Das Dach bietet zugleich einen Witterungsschutz für den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr und wird zu Messezeiten den gewünschten Treffpunktcharakter bieten. Zugleich definiert das Gebäude gemeinsam mit der benachbarten Grugahalle den Zugang auch für den Grugapark. Für seinen architektonischen und städtebaulichen Beitrag zur Messestadt Essen erhält das Foyer der Neuen Messe eine Anerkennung des Architekturpreises Essen 2020.
Wohnen gemeinsam mit Einkaufen, einer Kindestageseinrichtung, Büros und zugehörigen Stellplätzen realisieren: Diese anspruchsvolle Stadtentwicklungsaufgabe lösen die Cranachhöfe in überzeugender Weise. Zudem entsteht durch die Gebäudeausbildung ein kleiner, gut nutzbarer öffentlicher Platz. Die hochwertige Materialwahl (durchgängige Vollklinkerfassaden, Corten-Stahl-Platten) verspricht nachhaltige Qualität, auch die geländeähnlich modellierte Grünfläche im Innenraum der U-förmigen Bebauung überzeugt. Die Cranachhöfe ergänzen den zentrumsnahen, sehr lebendigen Stadtteil Holsterhausen um ein prägendes Quartier. Diese Leistung honoriert die Jury des Architekturpreises Essen 2020 mit einer Anerkennung.
Der Neubau von Notunterkünften ist eine Seltenheit. Dass diese Bauaufgabe - gestalterisch gut gelöst und auch wirtschaftlich rentabel - einen Mehrwert für den Stadtraum bedeuten kann, stellen die Notunterkünfte Liebrechtstraße mit ihrem in Volumen, Materialwahl und Farbigkeit freundlichen Erscheinungsbild unter Beweis. Die qualitätvoll begrünten Freianlagen mit ihrem alten Baumbestand werten das Ensemble aus insgesamt drei Riegeln zusätzlich auf. Der Stadt Essen ist es gelungen, auch für schwierige Lebensumstände ein würdevolles temporäres Wohnangebot bereitzustellen. Den Notunterkünften Liebrechtstraße wird hierfür eine Anerkennung des Architekturpreises Essen zugesprochen.
Um die öffentliche Diskussion über die Baukultur in Essen anzuregen, wird im Rahmen des Architekturpreises Essen 2020 unter der Schirmherrschaft der Sparkasse Essen ein Publikumspreis vergeben. Vom 15. Januar bis 15. Februar 2021 war die interessierte Öffentlichkeit eingeladen, ihr Urteil zu den Einreichungen des Architekturpreis Essen 2020 abzugeben und ihre Favoriten für den Publikumspreis zu wählen. Insgesamt wurde 1422 Mal abgestimmt.
Den Publikumspreis erhält das Projekt:
Das städtebauliche Konzept ist, ein eigenständiges Quartier im historischen Umfeld zu schaffen. Somit wurde das bestehende Gebäude-Duo mit einem Neubau ergänzt und damit ein Innenhof geschaffen. Diese städtebauliche Ausbildung des Innenhofes fand bereits bei Camillo Sitte seine Erwähnung. Der Innenhof bildet das Herzstück des Ensembles. Mit seiner Ausbildung ist er der Identifikationspunkt mit hoher Aufenthaltsqualität und hat damit einen quartiersbildenden Charakter.
Der Architekturpreis Essen 2020 wurde mit freundlicher Unterstützung der folgenden Spender*innen und Sponsor*innen vergeben:
Allbau GmbH,
Emschergenossenschaft,
Geno Bank Essen e.G.,
Kölbl Kruse GmbH,
Messe Essen,
Sparkasse Essen sowie
Stadtwerke Essen AG.